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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Kavalier, manierlich und auf Etikette bedacht, und darum wickle ich Sie ein mit Zynismus und Verletzung des Anstands!« setzte die verhinderte Aktrice unbekümmert ihre Beichte fort. »Und das nicht aus handgreiflichem Interesse, sondern ausschließlich aus Liebe zur Kunst. Meine Unpäßlichkeiten sind vorüber – doch Sie, Monsieur Fandorin, brauchen sich keine Hoffnungen zu machen. Ihr Süßholz raspeln Sie ganz umsonst, schade um die schönen Komplimente. Sie sind absolut nicht mein Fall.«
    Vor Schreck, Schmerz und Enttäuschung war Fandorin aufgesprungen.
    Der Schreck war zuerst da: daß dieses abscheuliche Frauenzimmer annehmen konnte, er würde um sie werben!
    Der Schmerz kam mit der Erinnerung: Schon das zweite Mal an diesem Tag hatte eine Frau behauptet, er wäre nicht ihr Fall.
    Und zuletzt überwog natürlich die Enttäuschung: daß die Indiskretion offenbar nicht über Diana geflossen war.
    »Was meine Person angeht, so v-v-… versichere ich Ihnen, daß Sie vollkommen im Irrtum sind, Madame«, versetzte der Staatsrat kühl und begab sich zur Tür. Ein unterdrücktes Lachen begleitete ihn, das wie Rascheln klang.
     
    Mißmutig und deprimiert fuhr Fandorin gegen fünf bei der Geheimpolizei vor.
    Die einzig verheißungsvolle Spur, die zu verfolgen ihm noch geblieben war, hatte sich schmählich zerschlagen; nunmußte er sich wohl in die Rolle des Köcherträgers fügen. Mit Brosamen von fremden Tischen vorliebzunehmen war der Staatsrat nicht gewohnt, die Demütigung ließ sich absehen, und seine Laune war entsprechend; gleichwohl kam er nicht umhin, sich über den Gang der Ermittlungen zu informieren, denn am Abend würde er dem Generalgouverneur Bericht erstatten müssen.
    Das Haus war wie ausgestorben. Nur Polizeiinspektor und Schriftführer waren im Bereitschaftsraum anzutreffen, kein einziger Agent.
    Oben im Vorzimmer saß Subzow und langweilte sich. Fandorin begrüßte er freudig wie einen nahen Verwandten.
    »Herr Staatsrat! Was Neues?«
    Fandorin schüttelte mißmutig den Kopf.
    »Hier ist auch nichts los«, seufzte der junge Mann und schielte traurig nach dem Telefonapparat. »Stellen Sie sich vor, Herr Posharski und ich, wir hocken hier den ganzen Tag wie festgenagelt und warten auf eine Nachricht von Gwidon.«
    »Posharski ist hier?« fragte Fandorin erstaunt.
    »Ja. Die Ruhe in Person, würde ich sagen. Sitzt in Burljajews Kabinett und liest Zeitschriften. Der Herr Oberstleutnant selbst ist in die Studentenherberge Dmitrowka gefahren und verhört ein paar verdächtige Personen. Mylnikow und seine Mannen sind, wie er sich auszudrücken beliebt, auf Wald- und Wiesentour. Und Swertschinski hat es sich in den Kopf gesetzt, alle Moskauer Stadttore abzufahren, von jedem ruft er an. Ich hab aufgehört, die Meldungen an den Fürsten weiterzugeben. Gegen Abend beabsichtigt der fleißige Herr Oberst zu kontrollieren, wie seine Leute auf den Bahnhöfen arbeiten, und zuletzt will er auf dem Nikolaus-Bahnhof Nachtwache schieben. Das nenne ich Diensteifer.« Subzow lächelte ironisch. »Vortäuschung von Beflissenheit vor dem neuen Dienstherrn, besser gesagt. Nur daß der Fürst nicht blöd ist, ihn kann man mit blindem Eifer nicht beeindrucken.«
    Fandorin schüttelte den Kopf, er mußte an die unbestimmten Drohungen denken, die Swertschinski tags zuvor in Bezug auf Posharski geäußert hatte. Um Beflissenheit war es dem Gendarmeriechef vermutlich am allerwenigsten zu tun; da mochte irgendein Hintergedanke im Spiel sein.
    »Gwidon hat sich also n-nicht gemeldet?«
    »Nein«, seufzte Subzow. »Allerdings hat vor zehn Minuten jemand angerufen, ich war dummerweise gerade im Kabinett beim Fürsten. Der Schriftführer hat abgenommen. Bis er mich geholt hatte, war die Verbindung abgebrochen. Der Anruf läßt mir keine Ruhe.«
    »Lassen Sie doch im F-fernmeldeamt nachprüfen, von welcher Nummer er kam«, riet Fandorin. »Technisch kein Problem, ich habe das schon ausprobiert. Darf ich?« fragte er und wies, zart errötend, auf die Tür zum Kabinett.
    »Aber natürlich, wozu denn die Frage!« wunderte sich Subzow. »Sie haben recht, es wird das Beste sein, auf dem Fernamt nachzufragen. Die Nummer führt uns zur Adresse, und wir könnten diskret in Erfahrung bringen, wem der Anschluß gehört.«
    Fandorin klopfte kurz und betrat das Kabinett des Geheimpolizeichefs.
    Flügeladjutant Posharski, Vizedirektor, aufsteigender Stern der russischen Kriminalistik, saß, die Beine auf dem großen Ledersessel, gemütlich unter

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