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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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sind. Sie sind eine mutige Frau. Andere reden bloß von der freien Liebe, Sie aber praktizieren sie.«
    Sie warf den Kopf zurück, ihr Lachen klang zufrieden.
    »Ach was. Liebe gibt es nicht. Es gibt die menschliche Kreatur, die in Einsamkeit lebt und in Einsamkeit stirbt. Nichts und niemand kann diese Einsamkeit mit dir teilen. Und es ist niemandem gegeben, in einem fremden Leben aufzugehen. Man kann allenfalls darin spielen. Den Geschmack testen. Herr Fandorin, Sie sind ein kluger Mann. Zu Ihnen kann ich ganz offen sein. Meiner Berufung nach bin ich Schauspielerin, müssen Sie wissen. Ich könnte auf den angesehensten Bühnen glänzen, das Publikum zum Lachen und zum Weinen bringen, aber … die Lebensumstände haben mirdie Möglichkeit verwehrt, meine Talente ihrer eigentlichen Bestimmung gemäß zu nutzen.«
    »Von welchen Umständen sprechen Sie?« fragte Fandorin vorsichtig. »Meinen Sie Ihre vornehme Herkunft? Soviel ich weiß, stammen Sie aus gutem Hause?«
    »Ja, so kann man das sagen«, erwiderte Diana nach kurzem Zögern. »Aber das macht nichts. Im Leben zu spielen ist weitaus interessanter als auf der Bühne. Vor diesen ahnungslosen Kindern, die zu viele schädliche Bücher gelesen haben, spiele ich die eine Rolle, vor Burljajew die zweite, vor Swertschinski eine dritte, ganz andere … Ich bin glücklicher als so manche, Herr Fandorin. Mir wird nie langweilig.«
    »Daß es wichtig ist, die Rolle der Nihilistin und die der Mitarbeiterin auseinanderzuhalten, leuchtet mir ein. Aber muß man zwischen einem Oberst Swertschinski und einem Oberstleutnant Burljajew wirklich soviel Unterschiede machen?«
    »Hoho!« Sie ließ sich zu einem Händeklatschen hinreißen. »Man sieht gleich, wie wenig Sie vom Theater verstehen! Das sind zwei grundverschiedene Rollen. Soll ich Ihnen sagen, was man tun muß, um bei den Männern Erfolg zu haben? Glauben Sie, es käme auf die Schönheit an? Überhaupt nicht! Mit welcher Schönheit ließe sich auch operieren, wenn einem keiner ins Gesicht sehen darf? Das Ganze ist viel einfacher. Man muß wissen, was einen bestimmten Mann ausmacht, und den Kontrast dazu herstellen. Das ist wie bei der Elektrizität: Gegensätzliche Ladungen ziehen einander an. Nehmen wir Burljajew. Ein grober, kräftiger Mann, tatendurstig, zur Gewalt neigend. Ihm zeige ich mich schwach, zart, schutzlos. Stacheln Sie noch dazu seine dienstlichen Ambitionen an, entfalten Sie den Ruch des Geheimnisses, worauf Männer so sehr fliegen – und der arme Burljajew wird weich wie Wachs.«
    Fandorin hatte das Gefühl, seinem Ziel schon ganz nahe zu sein. Jetzt nur den Faden nicht abreißen lassen.
    »Und Swertschinski?«
    »Na, der ist aus ganz anderem Holz geschnitzt. Schlau, vorsichtig, mißtrauisch. Zu ihm bin ich gutmütig und schlicht, ein bißchen ruppig. Was die Ambitionen und das Geheimnis angeht, da verhält es sich bei ihm freilich nicht anders, das ist eine obligatorische Zutat. Ob Sie es glauben oder nicht: Swertschinski hat vorige Woche hier auf den Knien vor mir gelegen und gefleht, ich sollte ihm sagen, ob Burljajew ein Verhältnis mit mir hätte. Ich hab ihn rausgeschmissen: Er soll sich ja nicht wieder blicken lassen, bevor ich es erlaube. Was halten Sie von so einer Mitarbeiterin, he? Der Obergendarm des ganzen Gouvernements macht vor mir Männchen wie ein Pudel!«
    Ergebnis Nummer eins: Swertschinski war seit letzter Woche nicht mehr hier gewesen, durch ihn konnte Diana also nicht von Chrapows Tod erfahren haben.
    »Großartig!« feuerte der Staatsrat sie an. »Unser lieber Swertschinski weilt also schon eine geschlagene Woche in der V-v-… Verbannung? Der Ärmste! Darum ist er so bärbeißig. Und derweil hat die Geheimpolizei freies Spiel.«
    »Das glauben Sie!« Die Femme fatale wurde von einem leisen Lachen geschüttelt. »Das ist es ja gerade! Burljajew hab ich genauso für eine Woche in die Wüste geschickt! Er soll annehmen, ich zöge ihm Swertschinski vor!«
    Fandorin runzelte die Stirn.
    »Und was ist die Wahrheit?«
    »Die Wahrheit ist«, wisperte die Mitarbeiterin, sich vertraulich zu ihm herüberbeugend, »die Wahrheit ist, daß ich unpäßlich war, wie es bei Frauen in Abständen zu sein pflegt.So daß ich in meinen zwei Affären ohnehin eine Pause einlegen mußte!«
    Den Staatsrat schauderte, während Diana, äußerst zufrieden mit der erzielten Wirkung, sich noch mehr in ihren Heiterkeitsanfall aus Zischen und Pfeifen hineinsteigerte.
    »Sie wiederum sind ein zartfühlender

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