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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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einmarschiert. Als euer Reviervorsteherdie seriösen Herren mit gezückten Revolvern stehen sah, war ihm das äußerst peinlich. Er hat das wunderliche Geschöpf bei den Haaren gepackt und wortlos vor die Tür geschleift, die Zeitungsleute gleich mitgenommen. Nur der Portier blieb, ein gewisser Telpugow, der bereitwillig ausplauderte, was es mit dieser Koko auf sich hat. Und daß die Herren von der Polizei ihn gebeten hatten, sich zur Verfügung zu halten. Hören Sie, bei so viel Erfindungsreichtum Ihrerseits darf ich mich wundern, daß Sie meine Methoden kritisieren!«
    »Ich hab von der Sache nichts gewußt!« rief Fandorin in großer Empörung – und errötete sogleich, da ihm einfiel, daß er Swertschinski am Vortage etwas von einer Koko hatte brummeln hören. Solches also hatte der Oberst im Sinn gehabt, als er erwog, den zugereisten Revisor »zum Affen« zu machen …
    »Das sehe ich!« sagte Posharski friedfertig und nickte. »Und es ist eindeutig nicht Ihr Stil. Ich wollte mich nur vergewissern. In Wirklichkeit geht das Affärchen mit Koko auf das Konto unseres ausgekochten Obersten. Den Eindruck hatte ich schon heute morgen, als Swertschinski mich jede Stunde anrief – wohl um herauszubekommen, ob ich ihn in Verdacht habe. Natürlich war er es, wer sonst. Burljajew ist für solche Tricksereien viel zu phantasielos.«
    In diesem Moment waren draußen auf dem Korridor Stiefeltritte zu hören, und herein stürmte, wie gerufen, der zuletzt Erwähnte.
    »Ein Unglück, meine Herren!« keuchte er. »Eben kam die Nachricht, daß die Kutsche der Wertpapier-Expedition überfallen worden ist. Es gibt Tote und Verwundete. Sechshunderttausend Rubel sind geraubt! Und die Räuber haben ihr Zeichen hinterlassen: KG.«
     
    Heillose Bestürzung – so die vorherrschende Gefühlslage auf der außerordentlichen Zusammenkunft, an der sämtliche hohen Ränge von Gendarmerieverwaltung und Geheimpolizei teilnahmen und die sich bis in den späten Abend hinzog.
    Fürst Posharski – zerzauster Haarschopf, blasses Gesicht, verbitterte Miene – hatte den Vorsitz der traurigen Versammlung inne.
    »Zustände sind das bei euch in Moskau!« stellte der Abgesandte aus der Hauptstadt nicht zum ersten Mal an diesem Abend fest. »Expediert tagtäglich Staatsgelder zum Versand in die Provinzen des Imperiums und habt für den Transport solcher Unsummen nicht einmal eine Instruktion! Wo hat man so was schon gesehen, daß die Wache dem erstbesten Bombenwerfer hinterherjagt und das Geld praktisch ohne Aufsicht läßt? Aber genug davon, meine Herren«, Posharski winkte ab, »die Sache wird vom Wiederherbeten nicht besser. Wir alle miteinander waren vor Ort und haben gesehen, was es zu sehen gab. Kommen wir nunmehr zur traurigen Bilanz. Sechshunderttausend Rubel sind in die revolutionäre Kasse gewandert, die ich eben erst im Schweiße meines Angesichts entleert hatte. Man möchte sich nicht ausmalen, wie viele Untaten die Nihilisten mit diesem Geld bewerkstelligen werden … Wir haben drei Tote und zwei Verwundete zu beklagen, wobei die Schießerei in der Nebenstraße nur einen Leichtverletzten zur Folge hatte. Und keinem ist eingefallen, daß das Scharmützel nur zur Ablenkung inszeniert sein könnte, um das eigentliche Geschäft nächst der Kutsche voranzutreiben!« Der Fürst begann sich von neuem zu erregen. »Noch dazu diese freche Provokation: die Initialen der Kampfgruppe, gleich einer Visitenkarte! Welch ein Schlag gegen die Autorität der Behörden! Wir haben die personelleStärke und den Wagemut dieser Gruppierung offensichtlich unterschätzt. Das waren nicht bloß vier Mann, sondern mindestens zehn. Ich werde Verstärkung aus Petersburg anfordern, besondere Vollmachten außerdem. Die Ausführung der Aktion war technisch ohne Fehl und Tadel. Das setzte genaueste Kenntnis der Fahrtroute der Kutsche sowie der Zusammensetzung der Eskorte voraus. Es wurde schnell, souverän und gnadenlos gehandelt. Ohne Zeugen zu hinterlassen. So viel zur Diskussion von Methoden, wie sie unter uns geführt wird«, bemerkte der Fürst mit einem Seitenblick auf Fandorin, der entfernt in einer Ecke des Kabinetts saß. »Immerhin gelang es dem Kutscher Kulikow, lebend zu entkommen. Von ihm wissen wir, daß es zwei Hauptakteure gab. Der eine dürfte, der Beschreibung nach, unser teuerster Herr Grin gewesen sein. Der andere hörte auf den Namen Joker. Ein Anhaltspunkt, könnte man meinen, nur leider wurde in der Herberge Indija eine männliche Leiche mit

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