Tote Kehren Nicht Zurück
hoffte inständig, dass es sich nicht als Totenhemd für Andrews Tochter erweisen würde. Kate saß so ernst und still da wie eine Marmorstatue, wie ein Modell für eine präraphaelitische Bildhauerschule, und man hätte sie tatsächlich für tot halten können, hätte sich nicht die Seide über ihrer Brust gehoben und gesenkt und verraten, dass sie so tief und fest schlief wie Dornröschen in ihrem Schloss. Selbst die trampelnden Schritte dreier Männer, die in ihr Zimmer vorgedrungen waren, vermochten sie nicht zu wecken. Prescott reagierte als Erster. Er bückte sich zu Kate hinab, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie heftig.
»Kate, wachen Sie auf … Grundgütiger!«, heulte er verzweifelt auf. Markby schob ihn beiseite, kauerte sich nieder und drückte die Augenlider der jungen Frau auf.
»Betäubt. Schaffen Sie einen Krankenwagen herbei, Prescott. Luke, Sie helfen mir, Kate auf die Beine zu stellen. Wir müssen versuchen, sie zum Gehen zu bringen.« Prescott rannte die Treppe hinunter. Frauenstimmen klangen herauf und fragten, was denn los wäre. Luke war verstummt. Mit vor Entsetzen starrem Gesicht half er Markby, Kates reglosen Körper vom Boden hochzuziehen. Sie hing zwischen den beiden Männern wie eine leblose Puppe.
»Kommen Sie, Kate!«, befahl Markby dicht an ihrem Ohr.
»Los jetzt, wir unternehmen einen Spaziergang. Kommen Sie schon …!«
»Es ist zwecklos!«, ächzte Luke. Noch während er sprach, gab Kate ein leises Stöhnen von sich, und ihr Kopf, der schlaff vornübergehangen hatte, rollte zur Seite.
»Braves Kind, weiter so!«, drängte Markby.
»Los jetzt, gehen Sie. Strengen Sie sich an!« Halb zerrten, halb stützten sie die junge Frau, als sie auf und ab ging. Das Stöhnen wurde lauter, dann hustete sie und verschluckte sich. Ihre Augenlider flackerten.
»Vielleicht sind wir noch rechtzeitig gekommen«, sagte Markby leise.
»Trotzdem, hoffentlich ist der Krankenwagen bald da!«
»Aber was hat sie denn genommen?«, fragte Luke. Er klang jung und verängstigt.
»Und warum hätte sie etwas nehmen sollen? Es war ein großartiges Abendessen! Wir waren alle glücklich und …«
»Ich nehme an, es ist ein Schlafmittel. Der Wein hat den Effekt beschleunigt.« Prescott kehrte schwer atmend zurück. Beim Anblick Kates, die schlaff zwischen den beiden Männern hing, sprang er vor, entschlossen zu helfen.
»Also gut, übernehmen Sie«, sagte Markby und schob Kates Arm zu Prescott.
»Halten Sie sie in Bewegung. Keine Sorge, mein Junge, sie hat eine gute Chance.« Markby hatte noch nicht ausgeredet, da ächzte Kate, würgte und übergab sich in hohem Bogen über den Sergeant.
»Gott sei Dank«, sagte Markby, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Sergeant war zwar besudelt, doch auch er war unübersehbar erleichtert. Wenige Augenblicke später traf der Krankenwagen ein. Die Sanitäter brachten Kate weg, und alle gingen nach unten ins Wohnzimmer. Es sah mehr oder weniger genauso aus, wie Markby es von seinem Kondolenzbesuch her in Erinnerung hatte, an jenem Morgen, an dem Andrews Leichnam gefunden worden war. Alles wirkte gemütlich und komfortabel. Im Kamin knisterte ein Holzfeuer. Das Cornwall-Gemälde hing über dem Sims. Die Onyxlampe brannte und warf ihr Licht auf Carla, die so still und zusammengekauert auf dem Sofa saß wie Kate zuvor oben vor ihrem Bett. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Frauen bestand darin, dass Kate geschlafen hatte und Carla so angespannt war wie eine Violinsaite. Meredith saß neben ihr. Sie legte ihr den Arm über die Schulter, als sie den Ausdruck in Alans Gesicht bemerkte.
»Mum …« Luke wollte zu seiner Mutter springen, doch Prescott erwischte ihn am Arm und hielt ihn fest. Markby zog sich einen Sessel heran und setzte sich vor Carla. Sie hob den Blick und starrte ihn aus großen, wilden Augen an.
»Es ist vorbei, Carla«, sagte er sehr sanft. Sie befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen und fragte mit einer tonlosen, sachlichen Stimme, die Markby Schauer über den Rücken jagte:
»Wird sie sterben?«
»Nicht, wenn du uns hilfst. Wir müssen ganz genau wissen, was sie genommen hat. War es das Schlafmittel, von dem du mir erzählt hast?«
»Sag nichts, Mum!«, redete Luke laut dazwischen.
»Nicht, bevor nicht ein Anwalt bei uns ist!« Markby drehte sich zu ihm um.
»Wenn das Krankenhaus weiß, womit Kate vergiftet wurde, dann kann man ihr ein Gegenmittel geben«, sagte er scharf. Luke sah aus, als
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