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Tote lieben laenger

Tote lieben laenger

Titel: Tote lieben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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tägliche Brot für Privatermittler und waren nur selten gefährlicher als gelegentlich ein aufgebrachter Mittelfinger, der aus Ärger gezeigt wurde. Diese Art von Fall hatte mir noch nie eine Lunge voller Blei eingebracht.
    "Treibt er es mit einer anderen?" Ich war unverblümt, weil sich mein Fleisch in jedem Moment auflösen konnte. Und dann hatte irgendeine feuchtnasige Kellnerin die Möglichkeit, ihren Augenzeugenbericht an die Geister-Sendungen beim Fernsehen zu verkaufen, während sie gleichzeitig mit einem Drehbuch hausieren ging.
    "Nichts dieser Art", sagte sie und hatte waschechte Tränen in den Augen. Tränen. In Los Angeles. Wer hätte das gedacht? Aber es handelte sich um eine Frau, und bei denen sprudeln die Tränen ebenso leicht wie die Lügen. Nur Männer wissen, wie man weint, und, glauben Sie mir, soweit es möglich ist, behalten wir dieses Wissen für uns.
    "Worum geht es dann?" Mein Kopf schmerzte. Ich fühlte mich wie der aufgewärmte Tod, was wohl nicht ganz abwegig war.
    "Um die hier", antwortete sie und zog drei Digitalaufnahmen aus ihrem Täschchen. Sie wartete, bis die Kellnerin ihr ihr dampfendes Getränk gebracht hatte, und schob sie dann über den Tisch. "Ich muss wissen, wo er sie her hat."
    Ich blickte auf die Fotos und wollte gerade fragen, welchen "er" sie meinte, als mir schwindelig wurde. Mein Magen machte einen Salto und meine Füße fühlten sich an, als ob sie eingeschlafen waren. Es ging zu Ende mit mir. Mir wurde die Rechnung präsentiert.
    "Ich muss gehen", sagte ich. "Die behalte ich und kontaktiere sie dann." Ich schob die Fotos in meiner Sakkotasche, stand auf und eilte zur Tür. Adrette Jungunternehmer und hoffnungsvolle Nachwuchsschauspieler starrten mich aus ihren Nischen an. Ich fühlte mich wie ein Kleiderbündel, nicht mehr und nicht weniger.
    Als ich mit der Eingangstür kämpfte, hörte ich Bailey rufen: "Ich liebe dich, Richard. Sehen wir uns bei dir?"
    Ich dachte, dass ich mich in meiner Panik zu verschwinden vielleicht verhört hatte, und das Wort "liebe" steigerte die Panik, die ich sowieso schon hatte. Aber dann rief sie: "Lee kann uns nicht trennen."
    Ich stolperte auf die Straße. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Tür geöffnet hatte oder einfach durch sie hindurchgedriftet war. Ich kann nur hoffen, dass ich bereits im Schatten war, als ich mich vollständig auflöste. Genau weiß das wohl nur der Penner hinter meinem Apartmenthaus.
    ***

4.
    Ich fühlte keinen Drang danach, in meine Bude zurückzukehren, um meinem Körper beim Verwesen zuzusehen. Also lungerte ich auf dem Boden des Liftschachtes herum. Es gab dort eine seltsame Auswahl an Müll: ein paar gebrauchte Kondome, leere Schnapsflaschen, ein Stück Stahlkabel, einen Männerhut und einen Teddybär. Ein Teddybär. Ich verbrachte fünfzehn oder zwanzig Minuten damit, meine Hand in die Füllung zu stecken, dann den Bär mit Leben zu erfüllen und ihn lustige Tänzchen veranstalten zu lassen.
    Schließlich wurde ich wieder klarer im Kopf. Durch das Puppenspiel hatte ich eine der Regeln der Geisterexistenz gelernt. Gestaltannehmen brauchte eine Menge Willenskraft und je mehr ich nachdachte, wenn ich in Gestalt war, desto weniger Saft hatten meine metaphysischen Batterien. Aus diesem Grund hatte mein Treffen mit Bailey DeBussey nur wenige Minuten gedauert: Sie hatte meine kombinatorischen Fähigkeiten auf die Probe gestellt, während sie gleichzeitig unterschwellige und zweifelsohne anstößige sexuelle Fantasien ausgelöst hatte.
    Die andere Sache war, dass Dinge, die ich mit mir herumtrug, wie die Fotos und meine Kleider, sich ein wenig von meiner Geisterhaftigkeit anzueignen schienen, denn sie kamen mit mir durch die Wände. Ich schickte sogar den Teddybär ein paar Mal durch die Wand, aber dazu benötigte ich eine Menge Willenskraft. Vielleicht war es so, dass je größer das Objekt war, es umso schwieriger war, es zu "vergeistigen".
    Ich studierte die Fotos. Auf den ersten Blick gab es nichts Besonderes. Zwei von ihnen zeigten Bailey und einen Mann, den ich nicht kannte, wie sie am Strand standen, im Hintergrund der Pier von Santa Monica. Bailey füllte einen Bikini ebenso gut wie ein Kleid aus Leopardenfell, vielleicht sogar besser. Der Kerl neben ihr sah so aus wie ein Komparse in einem dieser TV-Dramen über unsichere kalifornische Jugendliche, komplett mit Schaumfestiger-Frisur und Bizepsen in der Größe von Grapefruits. Auf jedem der Fotos trug er den gleichen schmierigen Gesichtsausdruck zur

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