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Tote lieben laenger

Tote lieben laenger

Titel: Tote lieben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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noch frisch waren. Jetzt hatten die Cops schon alles abgegrast und eingepudert und die Patronenhülsen eingesammelt – wenn der Killer dumm genug gewesen war, sie herumliegen zu lassen. Wahrscheinlich versuchten sie herauszufinden, warum und wann die Schüsse abgegeben worden waren. Bislang gab es keine Leiche, also war es offiziell noch keine Mordermittlung. Außer für mich.
    Ich ging im Geiste die Fälle durch, an denen ich zum Zeitpunkt meines Todes gearbeitet hatte. Ein paar angebliche Versicherungsbetrügereien, Väter, die ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkamen, geringfügige Unterschlagung in Form einer Kassiererin, die Kleingeld aus der Kasse stibitzte. Nichts darunter, was einen Mord rechtfertigen würde. Eine vermisste Person, ein Mädchen aus North Dakota, das von zu Hause weggelaufen war, um sein Glück beim Film zu machen. Dieser Fall war weniger dringlich. Selbst wenn man die Ausreißerin fand, würde sie einem sowieso nicht glauben wollen, dass die einzigen Filme, in denen sie jemals eine Rolle bekommen würde, diejenigen sind, für die man sein Kleingeld in einen Schlitz werfen muss.
    Keiner meiner aktiven Vorgänge hatte eine Verbindung zu diesem Fall, zumindest soweit ich das sehen konnte. Aber warum sollte mich jemand für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich Bailey DeBussey behilflich sein konnte, ausschalten? Schließlich war ich nicht der einzige Schnüffler in der Stadt, auch wenn ich vermutlich zu den besten zählte.
    Gut, es gab keinen Grund mehr, mir etwas vorzumachen. In meinem neuen Zustand war Aufrichtigkeit die beste Taktik, leider. In Wirklichkeit war ich nämlich verdammt mittelprächtig. Sam Spade, du kannst beruhigt sein, wo immer du auch im Himmelsfriedhof der erfundenen Figuren ruhst.
    Wie üblich brachte mich das Nachdenken auch nicht weiter. Nach ein paar weiteren Minuten mit den Fotos machte ich mich auf den Weg zum Hollywood Hype auf der anderen Straßenseite. Vielleicht hatte die Polizei etwas übersehen. Vielleicht nicht mal nur vielleicht. Die Polizei war ungefähr so mittelmäßig wie ich, und in dieser wunderbarsten Zeit des Jahres war der Kopf eines normalen Sterblichen sowieso mit Geschenkideen und Weihnachtsglöckchengebimmel bis zum Bersten gefüllt.
    Das Schweben ist eine heikle Sache. In den Filmen sieht es immer sehr würdig aus, wenn die Geister nebelhaft und schwermütig herumschweben. Für das Dahindriften benötigt man eine besondere Art von Willenskraft, die in gewisser Weise noch anstrengender ist, als seine Beinmuskeln ruckweise zu bewegen. Auch konnte ich die alte Gewohnheit, auf den Verkehr zu achten, nicht ablegen. Ich hatte schon ungefähr zwei Minuten vergeudet, als mir endlich klar wurde, dass ich geradewegs durch die Taxis, Limousinen, Touristenbusse, tiefer gelegten Autos und Obdachlosen mit ihren Einkaufswägen hindurchschweben konnte.
    Der Empfangsbereich des Hype war groß wie eine Höhle und mindestens ebenso muffig, mit einer Reihe verblichener roter Weihnachtssocken, die an der Rezeption angebracht waren. Auf dem Fernseher in der Ecke lief "Ist das Leben nicht schön?". Ich wollte Jimmy Stewart erklären, dass der einzige Unterschied zwischen lebendig und tot die Höhe der Kreditkartenrechnung ist. Aber das war die Denkweise meines alten, zynischen Ichs. Mein neues Ich, das tot, aber voller Hoffnung war, ließ sich nicht beirren und setzte seinen Weg fort.
    Ich hätte einfach direkt in den zweiten Stock hochschweben können, aber stattdessen nahm ich die Treppe. Es war eine Nachbildung der Treppe, auf der Clark Gable Vivien Leigh in "Vom Winde verweht" hochgetragen hatte. Der Rest des Hype war genauso kitschig. Gemalte Sterne wie die auf dem Hollywood Boulevard zierten den Boden des Gangs, aber die Sterne waren so abgetreten, dass man die Namen nicht mehr lesen konnte. Die Wände waren geschmückt mit gerahmten Filmplakaten und Erinnerungsstücken, die sicherlich nicht von den Filmstudios lizensiert waren.
    Ich nahm alle Zimmer mit nach Norden gerichteten Fenstern in Augenschein. Im ersten war das Bettzeug derart am Rotieren, dass ich zuerst dachte, einen anderen Geist getroffen zu haben. Dann dämmerte mir, dass ich auf ein Liebespärchen gestoßen war. Ich spanne nur, wenn ich dafür bezahlt werde, also warf ich einen kurzen Blick auf das Fensterbrett, um nach Überbleibseln oder sonstigen Spuren zu suchen. Nichts.
    Das zweite und das dritte Zimmer waren leer, aber Koffer auf den Betten bezeugten, dass kürzlich Gäste angekommen waren.

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