Tote lieben laenger
Schau, sein "Dollarlächeln".
Auf dem dritten Foto war Bailey auf einem Fischerboot zu sehen, die Art von Boot, die reiche Menschen halbtageweise mieten, damit sie auch noch ein ernsthaftes Besäufnis einschieben können. Ein weißhaariger Mann mit Kapitänsmütze in einem kurzärmeligen Feinripphemd hatte einen Arm um sie gelegt, seine Faust geballt wie bei einer kumpelhaften Umarmung. Im Hintergrund konnte man gerade noch die Golden Gate Brücke erkennen, während die Wand der Kommandobrücke von der Aufschrift S.S. Lady Slipper geschmückt wurde.
Was hatte das alles mit Lee zu tun? Warum hatte Bailey ihren Namen gerufen? Und was sollte die blödsinnige Inszenierung mit der Behauptung, dass sie mich liebt? Sie konnte nichts von Diana wissen – allenfalls, dass meine Frau Selbstmord begangen hatte, aber bestimmt nicht, dass sie von den Toten zurückgekehrt war und ein paar Meter von uns entfernt einen Espresso schlürfte.
Ich spielte die Szene im Café noch einmal in Gedanken durch. Das schwule Pärchen in der Ecknische, der dürre Punk in Schlabberjeans mit dem Skateboard, das braunhaarige Mädchen, das ihr Kurt-Vonnegut-Hardcoverbuch zur Schau stellte, um alle mit ihrem Intellekt zu beeindrucken. Dann fiel der Groschen. Auf einem der Barhocker saß eine Frau in einem Trenchcoat, dessen Kragen bis zu ihren Ohren hochgeschlagen war. Ich hatte mir nicht viel dabei gedacht, weil so nahe an Hollywood jeder entweder ein Schauspieler, Pornograph, Drehbuchautor oder ganz einfach eine Ausgeburt seiner eigenen schizophrenen Fantasie ist.
Aber nun erinnerte ich mich daran, wie sie ihren heißen und dampfenden Kaffee von der Kellnerin bekommen hatte, ihn hinunterstürzte, als ob es Limonade wäre, und dann mit einem Ausdruck der Befriedigung ausgeatmet hatte, ohne ein Anzeichen von Dampf oder Schmerz an den Tag zu legen. Als ob sie die Hitze aufgesogen hatte. Ich überlegte mir, ob sie irgendetwas unter dem Trenchcoat getragen hatte, denn das Wenige, was von ihrem Haar zu sehen gewesen war, war leicht lockig und dunkel. Genau wie der Stil, den sich Diana offenbar im Jenseits zugelegt hatte.
Nein. Ganz sicher hätte ich sie allein schon an ihren Manierismen erkannt. Wenn man jemanden kennt, wenn man mit ihr geschlafen, sie gehalten und sie beobachtet hat, wenn man sie sogar ein bisschen in seine Seele gelassen hat, dann kennt man ihre Gesten, die Art, wie sie ihre Finger bewegt, die Art, wie sie sich vorbeugt, wenn sie sitzt. Das war nicht Diana gewesen.
Trotzdem, die Menschen ändern sich. Und der Tod war die größte aller möglichen Änderungen. Wenn es Diana gewesen war, dann hatte sie sich wirklich gut verkleidet. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie ruhig dort sitzen würde, während ich mit einer attraktiven Frau schäkerte. Das war die Art von Ereignis, die während unserer Ehe ihre Eifersucht entfacht hätte. Sie hätte uns beide mit kochend heißem Kaffee übergossen, den Tisch umgeworfen und versucht, mich mit einem Buttermesser zu erstechen. Im Anschluss an diese Aufwärmübungen wäre sie wirklich unangenehm geworden. Unserer ersten Begegnung im Jenseits nach zu urteilen, hatte sie diesen speziellen Charakterzug nicht abgelegt.
Ich wollte mir eine Zigarette anzünden, beschloss dann aber, dass es vielleicht besser war, meinen Ether nicht mit Zigarettenrauch zu vermischen. Ich studierte die Fotos, bis mein Kopf müde wurde. Man sollte nicht denken, dass ein Geist müde werden könnte, oder? Ich vermutete, dass das wieder nur ein Teil der Aufgabe war. Zur Hölle, wenn es leicht wäre, ein Geist zu sein, würde es jeder sein wollen.
Tatsächlich wunderte ich mich darüber, dass mir keine anderen verlorenen Seelen begegnet waren, die zurückgeschickt wurden, um ihre eigenen Aufträge zu erledigen. Nicht für einen Moment glaubte ich, dass mir die Götter irgendeine Art von besonderer Behandlung zu teil werden ließen. Vielleicht waren wir alle für einander unsichtbar. Im täglichen Leben gehen die Leute in totaler Unkenntnis und Gleichgültigkeit aneinander vorbei, als Geister in ihrem eigenen Leben. Bis zu einem gewissen Grad erschaffen wir uns als Atmende unsere eigene Wirklichkeit, warum sollte das dann im Tod anders sein?
Ich tippe, dass ich trotz des nörgelnden Gequietsches des Lifts einschlummerte. Als ich wieder zu mir kam, war mein Kopf klar und ich stellte fest, dass ich meinen ersten Fehler begangen hatte. Ich hätte zum Hollywood Hype schweben sollen, als die Spuren des Attentäters
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