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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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schimmernden Verführung einen Scotch on the rocks ebenso standhalten müssen wie der des bernsteinfarben leuchtenden Biers, das die Männer in den Bars sich in Strömen in die Kehlen hatten laufen lassen. Überall war ich vom Geruch des Alkohols umgeben gewesen und hatte das Feuer gesehen, das er in den Augen der Menschen entzündet. Wie sehr hatte ich ihn früher geliebt, und wie sehr liebte ich ihn immer noch, verdammt noch mal. Aber ich wußte, daß die Folge dieser Liebe nur meine völlige Zerstörung sein konnte. Auch die allerkleinste Liaison mit dem Alkohol würde für mich schließlich darin enden, daß er mich wieder voll und ganz in seinen Bann zog. Weil ich das wußte, hatte ich der Versuchung tapfer widerstanden. Der Alkohol und ich hatten uns viel zu sehr geliebt, um Freunde sein zu können, auch wenn ich mich in dieser Nacht fast in seine weit geöffneten Arme geworfen hätte.
    Ich atmete tief durch. Die Luft roch wie ein Cocktail aus Motoröl, feuchtem Beton und den malzigen Dämpfen der Molson-Brauerei. Die Rue Ste. Catherine war fast völlig verlassen. Nur ein alter Mann in einem schäbigen Parka lehnte neben einem räudig aussehenden Mischlingshund an der Wand eines Ladens. Er hatte eine Zipfelmütze auf dem Kopf und sah zu, wie ein anderer alter Mann einen Abfalleimer auf der anderen Straßenseite durchwühlte. Vielleicht waren die beiden ja die allerletzte Nachtschicht in der Main. Enttäuscht und erschöpft machte ich mich auf in Richtung Boulevard St. Laurent. Wenigstens hatte ich versucht, Gabby zu finden. Wenn sie wirklich in Schwierigkeiten war, dann wollten die Leute hier es mir nicht sagen. Sie waren eine geschlossene Gesellschaft, zu der ich als Fremde keinen Zugang hatte.
    Als ich am My Kinh vorbeikam, sah ich ein Schild, das die ganze Nacht über warmes vietnamesisches Essen versprach. Ohne viel Interesse warf ich einen Blick durch das verschmierte Glas der Eingangstür und sah an einem Tisch im hinteren Teil des Lokals Poirettes Kollegin sitzen, deren Haar noch immer wie eine aprikosenfarbene Pagode aufgetürmt war. Wie elektrisiert blieb ich stehen und beobachtete die Frau.
    Sie tauchte eine Frühlingsrolle in eine flache Schale, hob sie an den Mund und leckte die kirschrote Soße ab. Ich fragte mich, wie lange sie wohl schon an dieser Frühlingsrolle aß.
    Nein. Es ist zu spät. Oder? Zum Teufel, einen letzten Versuch mache ich noch. Ich Öffnete die Tür und trat ein.
    »Hi.«
    Als sie meine Stimme hörte, ließ sie die Hand mit der Frühlingsrolle sinken. Zuerst wußte sie nicht, wo sie mich einordnen sollte, als sie mich dann aber erkannte, schien sie irgendwie erleichtert zu sein.
    »Hallo, chère. Immer noch unterwegs?« fragte sie und wandte sich wieder ihrer Frühlingsrolle zu.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    »Wie du willst, Süße. Solange du mir nicht meine Freier abspenstig machst, habe ich nichts gegen dich.«
    Ich setzte mich auf die Bank ihr gegenüber. Die Frau war älter, als ich gedacht hatte. Ende dreißig, möglicherweise sogar Anfang vierzig. Sie hatte zwar keine Tränensäcke unter den Augen, und die Haut an Hals und Stirn war immer noch recht straff, aber bei genauem Hinsehen konnte ich entdecken, daß sie viele kleine Falten um den Mund und den Ansatz zu einem Doppelkinn hatte.
    Der Kellner brachte mir eine Speisekarte, und ich bestellte eine Soupé Tonqinoise. Ich hatte zwar keinen Hunger, aber ich brauchte einen Grund, um länger hier bleiben zu können.
    »Na, hast du deine Freundin gefunden, chère?« fragte die Frau. Als sie nach ihrer Kaffeetasse griff, klimperten die Plastikarmreifen an ihrem Handgelenk. In ihrer Armbeuge konnte ich eine hellgraue Narbe entdecken.
    »Nein.«
    Wir warteten, während mir ein asiatischer Junge von vielleicht fünfzehn Jahren ein Glas Wasser und ein Gedeck hinstellte.
    »Ich heiße übrigens Tempe Brennan.«
    »Ich weiß. Du hast dich vorhin schon einmal vorgestellt. Jewel Tambeaux verkauft zwar ihren Körper, aber deswegen ist sie noch lange nicht blöd.« Sie schleckte an ihrer Frühlingsrolle.
    »Ms. Tambeaux, ich –«
    »Du kannst mich ruhig Jewel nennen, Kleine.«
    »Okay, Jewel. Ich habe jetzt vier Stunden lang nach meiner Freundin gesucht, und alle Leute hier haben so getan, als hätten sie noch nie von ihr gehört. Dabei weiß ich genau, daß Gabby seit Jahren hier zu tun hat. Sie sollten also wissen, von wem ich rede.«
    »Das wissen sie auch, chère, aber sie wissen nicht, warum du sie suchst.« Jewel legte

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