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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Schlauchtop und wadenlange Hosen, die meine Mutter in ihrer Jugend wohl als Capri-Shorts bezeichnet hätte. Vermutlich stammte das Kleidungsstück sogar noch aus jener Zeit.
    Ich sah, wie die Frau ihren Kaffee austrank, einen letzten, langen Zug von ihrer Zigarette nahm und dann den Stummel auf der kleinen Metallscheibe ausdrückte, die als Aschenbecher diente. Dann ließ sie ihre stark überschminkten Augen auf der Suche nach einem Kunden durch den Raum wandern. Obwohl sie selbst wohl nicht so recht daran glaubte, einen zu finden, war sie doch bereit, jede sich bietende Gelegenheit beim Schopf zu packen. Ihr Gesicht hatte den freudlosen Ausdruck einer Frau, die schon viel zu lange auf den Strich gegangen war. Weil sie mit den jüngeren Nutten nicht mehr mithalten konnte, hatte sie sich vermutlich auf raschen, billigen Sex in dunklen Hauseingängen oder auf den Rücksitzen von Autos verlegt. Nächtliche Erleichterung zum Sonderpreis. Sie zog das Top an ihrer knochigen Brust nach oben und ging zur Kasse. Rosie mit den Bleistiftarmen auf dem Weg zur Arbeit.
    An dem Tisch direkt neben der Tür saßen drei junger Männer, von denen einer halb auf dem Tisch lag und schlief. Auf einen Arm hatte er seinen Kopf gebettet, der andere hing schlaff in seinen Schoß. Alle drei trugen T-Shirts, abgeschnittene Jeans und Baseballmützen. Zwei von ihnen hatten die Mützen verkehrt herum aufgesetzt, nur der dritte, offenbar ein Modemuffel, trug den Schirm über der Stirn. Die beiden, die nicht schliefen, aßen Cheeseburger und schenkten ihrem Freund keinerlei Beachtung. Ich schätzte sie auf nicht älter als sechzehn Jahre.
    Ansonsten saß nur noch eine Nonne in dem Lokal. Von Gabby keine Spur.
    Ich verließ das Restaurant und sah mich auf der Rue Ste. Catherine um. Inzwischen waren eine Menge Rocker angekommen, die ihre schweren Harleys und Yamahas auf beiden Seiten der Straße abgestellt hatten. Die Männer, die trotz des warmen Sommerabends in voller Ledermontur steckten, hockten auf den Maschinen herum oder standen in Gruppen beieinander und tranken Dosenbier.
    Ihre Frauen standen ein wenig abseits und bildeten ihre eigenen Gesprächsrunden, was mich an den Pausenhof auf der Junior Highschool erinnerte. Ich fragte mich, weshalb diese Frauen sich mit solchen gewalttätigen und machohaften Kerlen zusammengetan hatten, die sie behandelten wie Pavianmännchen ihren Harem. Schlimmer noch, viele dieser Frauen wurden von ihren Mackern auf den Strich geschickt, an Freunde verliehen, mit Tätowierungen und Brandzeichen entstellt, verprügelt und manchmal sogar getötet. Und trotzdem blieben sie bei diesen Typen. Wenn dieses Dasein eine Verbesserung gegenüber ihrem bisherigen Leben war, dann konnte ich mir kaum vorstellen, wie schrecklich dieses Leben gewesen sein mußte.
    Als ich über den Boulevard St. Laurent nach Westen blickte, entdeckte ich endlich das, wonach ich gesucht hatte. Vor dem Hotel Granada hingen rauchend zwei Nutten herum und machten die vorübergehenden Männer an. Eine davon war Poirette, die andere hatte ich noch nie gesehen.
    Ich mußte dem Impuls widerstehen, meine Suche abzubrechen und nach Hause zu fahren. Vielleicht war ich für dieses Unternehmen nicht richtig gekleidet, vielleicht bewirkten das Sweatshirt, die Jeans und die Sandalen, die ich in der Hoffnung angezogen hatte, möglichst wenig bedrohlich zu wirken, bei diesen Frauen ja das genaue Gegenteil. Woher sollte ich das wissen? Ich hatte so etwas schließlich noch nie gemacht.
    Reiß dich am Riemen, Brennan, sagte ich mir. Du willst doch nur Zeit schinden. Mach dich auf die Socken und geh hinüber zu diesen Frauen. Mehr als eine Abfuhr können sie dir nicht verpassen. Und es wäre nicht das erste Mal, daß du eine bekommst.
    Ich ging hin und baute mich vor ihnen auf.
    »Bon jour«, sagte ich mit einer Stimme, die so zittrig klang wie ein Kassettenrekorder mit einem kaputten Band. Ich ärgerte mich über mich selbst und hüstelte, um meine Unsicherheit zu verbergen.
    Die beiden beendeten ihre Unterhaltung und betrachteten mich wie ein ungewöhnliches Insekt oder etwas, das man sich aus der Nase gepuhlt hat. Keine sagte ein Wort, und ihre Gesichter verrieten keinerlei Empfindungen.
    Poirette trat von einem Fuß auf den anderen und streckte eine Hüfte vor. Sie trug dieselben schwarzen Stiefel wie das erste Mal, als ich sie gesehen hatte. Dann schlang sie sich einen Arm um die Taille, stützte den Ellenbogen des anderen Armes darauf und sah mich mit

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