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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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ziemlich ausgefallene Wünsche haben soll.«
    »Inwiefern ausgefallen?«
    Jewel stellte ihre Tasse auf den Tisch und sah mich prüfend an.
    »Er bezahlt zwar, aber er will nicht vögeln.«
    Ich nahm einen Löffel voller Nudeln aus meiner Suppe und wartete.
    »Nur eine von uns, ein Mädchen namens Julie, geht mit ihm aufs Zimmer. Wir anderen machen das nicht. Julie hat weniger Grips als eine Ameise, aber das ist eine andere Geschichte. Sie hat mir erzählt, daß er immer dasselbe von ihr verlangt. Wenn sie auf dem Zimmer sind, zieht unser Held ein Nachthemd aus einer Papiertüte. Nichts Aufreizendes, keines von diesen Spitzendingern, sondern ein ganz normales Nachthemd. Er sieht zu, wie sie es anzieht, und dann muß sie sich aufs Bett legen, und er streichelt mit einer Hand das Nachthemd und holt sich mit der anderen einen runter. Wenn er kommt, stöhnt und ächzt er wie ein Tier, und dann muß Julie sich das Nachthemd wieder ausziehen und es ihm zurückgeben. Er bedankt sich bei ihr, bezahlt und geht. Julie sagt, es sei leicht verdientes Geld.«
    »Wieso glauben Sie, daß das der Kerl ist, der meiner Freundin hinterherschleicht?«
    »Einmal, als er Großmutters Nachthemd wieder in die Papiertüte gesteckt hat, hat Julie den Griff eines ziemlich großen Messers gesehen. Und sie hat ihm gesagt: ›Wenn du noch einmal was mit mir machen willst, dann laß das Ding zu Hause, Cowboy.‹ Und er erzählte ihr, es sei das Schwert der Gerechtigkeit und wie wichtig das verdammte Ding für seine Seele und das ökologische Gleichgewicht sei und lauter so’n Quatsch. Er hat Julie eine Scheißangst eingejagt.«
    »Und?«
    Jewel zuckte mit den Achseln.
    »Kommt er immer noch?«
    »Ich habe ihn jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, aber das hat nicht viel zu sagen. Er hat sich nie regelmäßig blicken lassen. Mal ist er jeden Tag da und dann wieder lange Zeit überhaupt nicht.«
    »Haben Sie jemals mit ihm gesprochen?«
    »Wir haben alle mit ihm gesprochen, Schätzchen. Wenn er da ist, ist er schlimmer als ein Tripper. Nervtötend, aber nur schwer wieder loszuwerden. Daher weiß ich auch, daß er die Persönlichkeit einer Kakerlakenlarve hat.«
    »Haben Sie gesehen, daß er mit Gabby geredet hat?« fragte ich und schlürfte die Nudeln von meinem Löffel.
    Jewel lehnte sich lachend zurück. »Netter Versuch, Süße.«
    »Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?«
    »Keine Ahnung. Am besten, du wartest einfach so lange, bis er wieder auftaucht.«
    »Und wo finde ich Julie?«
    »Hier herrscht freies Unternehmertum, chère, und die Mädchen kommen und gehen, wann es ihnen paßt. Da kann ich nicht die Geschäftszeiten von jeder einzelnen im Kopf haben.«
    »Haben Sie Julie denn in letzter Zeit gesehen?«
    Jewel dachte eine Weile nach. »Nein. Sie war vor Wochen das letzte Mal hier.«
    Ich starrte erst die Nudeln am Boden meiner Schale und dann Jewel an. Sie hatte mir einen ganz kleinen Einblick in ihre Welt gegeben, hatte die Tür einen winzigen Spalt geöffnet. Ob ich sie wohl etwas weiter aufmachen konnte? Ich beschloß, es zu versuchen.
    »Ich glaube, daß da draußen ein Serienmörder sein Unwesen treibt, Jewel. Jemand, der Frauen umbringt und zerstückelt.«
    Jewels Gesichtsausdruck veränderte sich kein bißchen. Sie sah mich an wie ein steinerner Wasserspeier. Entweder hatte sie mich nicht richtig verstanden, oder sie war gegen Gewalt, Schmerzen und vielleicht sogar gegen den Tod bereits abgestumpft. Oder vielleicht zeigte sie mir nur eine Maske, eine Fassade, die sie vor ihre Angst geschoben hatte. Eine Angst, die so schlimm war, daß sie nicht davon sprechen konnte. Ich glaubte eher, daß die zweite Möglichkeit der Fall war.
    »Jewel, ist meine Freundin in Gefahr?«
    Unsere Blicke trafen sich.
    »Ist sie eine Frau, chère?«
     
    Auf der Heimfahrt ließ ich meinen Gedanken freien Lauf und achtete nur wenig auf den Verkehr. Der Boulevard de Maisonneuve war verlassen, und die Ampeln zogen eine Show ohne Publikum ab. Auf einmal sah ich im Rückspiegel zwei Scheinwerfer, die direkt auf mich zukamen.
    Nach der nächsten Kreuzung fuhr ich ganz rechts, um den Wagen vorbeifahren zu lassen, aber die Lichter blieben hinter mir. Als ich daraufhin wieder in die mittlere Spur wechselte, folgten sie mir und schalteten auf Fernlicht.
    »Arschloch!«
    Ich trat aufs Gas, aber der Wagen blieb mir auf den Fersen.
    Angst stieg in mir hoch. Vielleicht war das nicht bloß ein Betrunkener. Ich blickte blinzelnd in den Rückspiegel und

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