Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
draußen niemand sehen, als ich an den Vorhang trat und mutiger als zuvor hinausblickte.
Draußen sah alles noch genauso aus wie vorher. Ich sah nichts als die mir einigermaßen vertrauten Umrisse der Büsche und Bäume, von denen einige sich im Wind bewegten. Klick, Klack. Ohne es zu wollen, zuckte ich zusammen, aber dann dachte ich nach. Das Geräusch kam von weiter hinten, aus dem Teil des Gartens, der nicht direkt vor der Tür lag.
Ich tastete mich an der Wand entlang zum Schalter für die Gartenbeleuchtung und knipste sie an. Jetzt war nicht die Zeit, sich Gedanken wegen der Nachbarn zu machen. Dann ging ich wieder an den Vorhangspalt und spähte hinaus. Das Licht war nicht besonders stark, aber es beleuchtete den Garten dennoch ziemlich gut.
Der Regen hatte aufgehört, aber dafür ging ein frischer Wind, der blassen Dunst durch den Lichtkreis der Lampe wehte. Ich blieb stehen und lauschte eine Weile in die Nacht hinaus. Nichts. Dann suchte ich mit Blicken alles in meinem Gesichtskreis ab. Nichts. Das machte mich wagemutig. Ich schaltete die Alarmanlage aus, öffnete einen Flügel der Glastür und streckte den Kopf hinaus. An der Hauswand links von mir stand ein schwarzer Johannisbeerstrauch, der seinem Namen alle Ehre machte. Auch bei näherem Hinsehen konnte ich an seinen Umrissen nichts Ungewöhnliches erkennen. Nur eine etwas stärkere Windbö bewegte seine Zweige. Klick. Klack. Wieder das Geräusch, wieder die Angst.
Das Tor. Das Geräusch kam vom Gartentor. Ich drehte meinen Kopf und sah gerade noch, wie es sich im Wind ein klein wenig bewegte. Irgendwie schien der Riegel nicht richtig eingerastet zu sein. Klick. Klack.
Als ich quer durch den Garten zu dem Tor ging, war ich von meiner Angst peinlich berührt. Warum hatte ich dieses Geräusch nicht schon früher gehört? Und dann zuckte ich abermals zusammen. Das Vorhängeschloß, das normalerweise verhinderte, daß das Tor am Riegel Spiel hatte, war nicht mehr da. Winston mußte wohl vergessen haben, es nach dem letzten Rasenmähen wieder hinzuhängen.
Ich drückte das Tor fest ins Schloß und machte mich auf den Rückweg zu meiner Wohnung. Da erst hörte ich das andere, sehr viel leisere Geräusch. Es kam aus meinem Kräutergarten. Und dann entdeckte ich etwas, das ich dort noch nie zuvor gesehen hatte. Es sah aus wie ein Kürbis, den jemand auf eine aus dem Boden ragende Stange gesteckt hatte. Das leise Geräusch stammte von der Plastikfolie, die darübergestülpt war und im Wind flatterte.
Auf einmal kam mir ein grauenhafter Gedanke. Ohne zu wissen warum, spürte ich sofort, was sich unter dem Plastik befand. Mit zitternden Beinen ging ich hinüber und zog den Müllsack weg.
Was ich sah, drehte mir den Magen um. Ich mußte mich zur Seite drehen und mich übergeben. Danach wischte ich mir mit den Händen über den Mund, rannte ins Haus, verriegelte die Tür und schaltete die Alarmanlage wieder ein.
Mit flatternden Fingern suchte ich eine Telephonnummer heraus und gab mir große Mühe, die richtigen Zahlen zu drücken. Beim vierten Klingeln wurde abgehoben.
»Bitte, kommen Sie zu mir. So schnell wie möglich.«
»Brennan?« Die Stimme klang verschlafen. »Was ist denn –«
»Jetzt gleich, Ryan! Sofort!«
24
Drei Kannen Tee später saß ich zusammengesunken auf Birdies Schaukelstuhl und sah Ryan beim Telefonieren zu. Es war sein drittes Gespräch, ganz offensichtlich ein privates, in dem er jemandem mitteilte, daß er noch eine Weile weg sein werde. Aus seiner Reaktion schloß ich, daß diese Nachricht die Person am anderen Ende der Leitung nicht gerade glücklich machte. Böse Geschichte.
Manchmal zahlt es sich aus, wenn man hysterisch ist. Nach meinem panischen Anruf hatte es keine zwanzig Minuten gedauert, bis Ryan bei mir gewesen war. Er hatte die Wohnung und den Garten abgesucht und dann die CUM angerufen, damit diese einen Streifenwagen zur Bewachung des Gebäudes schickte. Dann hatte er den Sack mit seinem grausigen Inhalt in einen größeren Sack gesteckt, den er versiegelt und in eine Ecke meines Eßzimmer gestellt hatte. Auf der Rückfahrt würde er ihn in der Leichenhalle abliefern. Das Team der Spurensicherung hatte er für den nächsten Morgen bestellt. Jetzt, nachdem er alles organisiert hatte, saßen wir im Wohnzimmer. Ich kauerte im Schaukelstuhl und trank Tee, während Ryan hin und her tigerte und ständig auf mich einredete.
Ich weiß nicht, was auf mich beruhigender wirkte, Ryans Anwesenheit oder der Tee. Je mehr ich
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