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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Hund.
    »Ist Ihnen vielleicht nach Ihrem letzten Gespräch mit der Polizei etwas eingefallen? Etwas, das mit Chantales Verschwinden in Zusammenhang stehen könnte?«
    Keine Antwort. Die Luft in der Küche war heiß und stickig und roch ein wenig nach einem Haushaltsreiniger mit Citrusduft.
    »Ich weiß, wie schrecklich das alles für Sie ist, aber wenn wir den Mörder Ihrer Tochter fassen wollen, dann brauchen wir noch immer Ihre Hilfe. Gibt es etwas, was Sie noch auf der Seele haben? Worüber Sie nachgedacht und noch mit niemandem gesprochen haben?«
    »Chantale und ich haben uns oft gestritten.«
    Da waren sie schon wieder. Das Schuldgefühl und der Wunsch, im nachhinein etwas zurückzunehmen.
    »Sie wollte nichts essen. Sie hatte Angst davor, dick zu werden.«
    Das wußte ich alles bereits aus den Vernehmungsprotokollen.
    »Aber sie war nicht dick. Sie hätten sie sehen sollen. Sie war ein schönes Mädchen. Ganze sechzehn Jahre alt.« Jetzt sah sie mir endlich in die Augen. Zwei dicke Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »Es tut mir so leid«, sagte ich so sanft ich konnte. Durch das Fliegengitter vor dem offenen Fenster drang der Geruch von den sonnenbeschienenen Geranien herein. »War Chantale vielleicht wegen irgend etwas unglücklich?«
    »Das ist es ja gerade, was mir ihren Tod so unerträglich macht. Sie war so ein unkompliziertes Kind. Immer glücklich, lebenslustig und voller Pläne. Selbst meine Scheidung hat sie tapfer ertragen. Sie hat mir deshalb nie Vorwürfe gemacht.«
    War das die Wahrheit oder eine geschönte Erinnerung? In der Akte hatte ich gelesen, daß Chantale bei der Scheidung ihrer Eltern neun Jahre alt gewesen war. Ihr Vater lebte irgendwo in Montreal.
    »Haben sie in den letzten Wochen vor Chantales Tod vielleicht etwas Ungewöhnliches an ihr bemerkt? Hat sie sich anders verhalten als sonst? Hat sie merkwürdige Anrufe bekommen? Sind irgendwelche neue Freunde bei ihr aufgetaucht?«
    Madame Trottier schüttelte langsam den Kopf. Nein. Nein.
    »War Chantale kontaktscheu? Hatte sie vielleicht Schwierigkeiten, Freunde zu finden?«
    Nein.
    »Hatte sie Freunde, die Ihnen nicht ganz geheuer waren?«
    Nein.
    »Hatte sie einen festen Freund?«
    Nein.
    »Ging sie mit Jungen aus?«
    Nein.
    »Hatte sie Probleme mit der Schule?«
    Nein.
    Das war nicht die richtige Art, ein Gespräch zu fuhren, bei dem die Befragte reden sollte, nicht ich.
    »Was geschah an dem Tag, an dem Chantale verschwand?«
    Geneviève Trottier sah mich mit undurchdringlicher Miene an.
    »Können Sie mir sagen, was an diesem Tag passiert ist?«
    Sie nahm einen Schluck Limonade, als müsse sie damit eine große Tablette hinunterspülen und stellte das Glas wieder auf den Tisch. Auch das schien ihr Mühe zu bereiten.
    »Wir standen so gegen sechs Uhr auf. Ich machte das Frühstück.« Sie nahm ihr Glas wieder in die Hand und drückte es so fest, daß ich Angst hatte, es könnte zerspringen. »Dann fuhr Chantale zur Schule. Sie und Ihre Freundinnen nahmen immer den Zug, denn ihre Schule ist in der Stadtmitte. Die Freundinnen sagten später, daß sie in allen Stunden anwesend war. Und dann…«
    Ein Windstoß bewegte die Vorhänge, und Geneviève Trottier schwieg eine Weile.
    »Sie kam nicht mehr nach Hause«, sagte sie dann.
    »Hatte sie an diesem Tag etwas Besonderes vor?«
    »Nein.«
    »Und ist sie sonst immer gleich nach der Schule heimgekommen?«
    »Normalerweise schon.«
    »Aber an diesem Tag haben Sie sie nicht erwartet?«
    »Nein. Sie wollte zu ihrem Vater.«
    »Tat sie das oft?«
    »Ja. Aber warum stellen Sie mir all diese Fragen? Die bringen doch nichts. Ich habe genau dasselbe schon der Polizei erzählt. Warum muß ich es wieder und wieder tun? Das führt zu nichts. Damals nicht, und heute schon gleich gar nicht.«
    Sie sah mir direkt in die Augen, und ihr Schmerz ließ sich fast mit Händen greifen.
    »Wissen sie was? Als ich bei der Polizei die Vermißtenformulare ausgefüllt habe, war Chantale schon tot. Sie lag zerstückelt auf einer Müllkippe. Sie war schon längst tot.«
    Die Frau ließ den Kopf sinken, und ihre schmalen Schultern bebten. Sie hatte recht. Diese Fragerei brachte nichts. Ich fischte im Trüben, das war alles. Geneviève Trottier hatte langsam gelernt, mit ihrem Schmerz umzugehen, Tomaten zu pflanzen und ihr Leben zu leben, und dann kam ich daher, überfiel sie mit meinen Fragen und zerrte ihre Gefühle wieder ans Tageslicht.
    Hab Mitleid, sagte ich mir, und verschwinde.
    »Alles in Ordnung, Madame

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