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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Trottier. Wenn Sie sich an keine Einzelheiten mehr erinnern, dann waren diese vermutlich auch nicht wichtig.« Ich gab ihr meine Karte und sagte mein übliches Sprüchlein dazu auf. Rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfällt. Es schien mir nicht allzu wahrscheinlich, daß sie es tun würde.
    Als ich nach Hause kam, war Gabbys Tür zu, und in ihrem Zimmer war es still. Ich dachte kurz daran, anzuklopfen, verkniff es mir aber. Gabby mochte es nicht, wenn man in ihre Privatsphäre eindrang. Also ging ich ins Bett und versuchte, noch etwas zu lesen. Aber es ging nicht. Geneviève Trottiers Worte geisterten mir noch immer durch den Kopf. Déjà mort, hatte sie gesagt. Schon tot. Auch Monsieur Champoux hatte diesen Ausdruck benützt. Ja. Fünf Frauen waren schon tot. Das war die brutale Wahrheit. Ebenso wie Champoux und Trottier gingen auch mir jetzt Gedanken durch den Kopf, die mir keine Ruhe mehr ließen.

27
    Die Morgennachrichten aus dem Radiowecker rissen mich aus dem Schlaf. Es war der fünfte Juli. Der amerikanische Unabhängigkeitstag am Tag zuvor war an mir vorbeigegangen, ohne daß ich auch nur einmal daran gedacht hätte. Kein Apfelkuchen. Keine Sternenbanner. Nicht eine einzige Wunderkerze. Irgendwie deprimierte mich das. Eigentlich sollte jeder Bürger der Vereinigten Staaten am vierten Juli stolz durch die Straßen marschieren, ganz gleich wo auf dem Erdball er oder sie sich auch befanden. Seit ich hier in Kanada war, bekam ich US-amerikanische Sitten und Gebräuche nur noch aus der Ferne mit. Ich nahm mir vor, zum nächsten Spiel einer amerikanischen Mannschaft ins Baseballstadion zu gehen und mir für die Jungs die Seele aus dem Leib zu schreien.
    Ich ging unter die Dusche, machte mir Kaffee und Toast und überflog die Meldungen in der Gazette. Das Blatt war wieder einmal voller Artikel über die beabsichtigte Trennung Quebecs von Kanada. Was würde in diesem Fall mit der Wirtschaft passieren? Was mit den Ureinwohnern? Mit den englischsprachigen Bewohnern der Provinz? In den Kleinanzeigen spiegelten sich diese Befürchtungen wider. Viele Verkäufe, wenige Kaufgesuche. Vielleicht sollte auch ich nach Hause gehen. Was konnte ich hier schon erreichen?
    Hör auf, Brennan. Du bist doch bloß sauer, weil heute der Wagen in die Inspektion muß.
    Stimmt. Ich hasse es, all die Dinge zu erledigen, ohne die man kein vollwertiges Mitglied einer hochtechnisierten Nation am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist. Ich hasse es, Paß, Führerschein oder Arbeitserlaubnis zu verlängern, meine Einkommen-Steuererklärung zu machen oder mich gegen Tetanus impfen zu lassen. Ich hasse es, meine Kleider zur Reinigung zu bringen, zum Zahnarzt oder zur Krebsvorsorgeuntersuchung zu gehen. Meine Verhaltensweise ist in all diesen Fällen dieselbe: Ich schiebe es auf, bis es sich nicht mehr vermeiden läßt. Heute war es mal wieder so weit: Der Wagen mußte in die Werkstatt.
    Was mein Verhältnis zu Autos betrifft, so bin ich eine waschechte Amerikanerin. Wenn ich einmal einen Tag lang keines habe, fühle ich mich wie ein halber Mensch, abgeschnitten von allem und extrem verletzbar. Womit soll ich denn fliehen, wenn es ausgerechnet jetzt einer fremden Macht in den Sinn kommen sollte, uns zu überfallen? Was soll ich tun, wenn ich länger auf einer Party bleibe als die U-Bahn fährt? Und wie soll ich aufs Land fahren oder eine Kommode transportieren? Ohne Auto läuft überhaupt nichts, aber das heißt noch lange nicht, daß ich die Blechkiste anbete. Ich will einen fahrbaren Untersatz, der anspringt, wenn ich den Zündschlüssel umdrehe und der mich dorthin bringt, wo ich hin will. Und das soll er gefälligst mindestens zehn Jahre lang problemlos tun, ohne daß man sich ständig um ihn kümmern muß.
    Ich hörte immer noch keine Geräusche aus Gabbys Zimmer. Wahrscheinlich schlief sie noch. Also packte ich meine Sachen und ging.
    Um neun Uhr stand der Wagen in der Werkstatt, und ich saß in der U-Bahn. Jetzt, nach dem morgendlichen Berufsverkehr, war der Zug fast leer. Gelangweilt betrachtete ich die Plakate, die ein Stück am Théàtre St. Denis, einen Kurs am Collège O’Sullivan, Jeans von Guess, Parfüm von Chanel und die United Colors von Benetton bewarben.
    Von den Plakaten wanderten meine Blicke auf die Karte des Metronetzes, auf der sich viele farbige Linien kreuzten wie die elektrischen Leitungen auf einem Schaltplan. Die Bahnhöfe waren als weiße Kreise eingezeichnet. Mit den Augen folgte ich meiner Fahrtstrecke von

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