Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
Kopf.
Julie riß die Zellophanhülle auf und hob die obere Hälfte des Burgers hoch, um seinen Belag zu inspizieren. Offenbar zufrieden mit dem, was sie sah, klappte sie den Burger wieder zu und biß hinein. Als Banco mir mein Wasser brachte, sah ich verstohlen auf die Uhr. Es war zwanzig nach drei. Langsam hatte ich das Gefühl, als würden wir Julie niemals zum Sprechen bringen.
»Wo hast du gearbeitet, Süße?« fragte Jewel.
»Ach, hier und da«, antwortete Julie mit vollem Mund.
»Ich habe dich in letzter Zeit gar nicht gesehen.«
»Ich war krank.«
»Und geht es dir jetzt besser?«
»Mmm.«
»Hast du in der Main gearbeitet?«
»Auch.«
»Hast du eigentlich immer noch diesen komischen Kerl mit dem Nachthemd?« fragte Jewel in beiläufigem Ton.
»Wen?« Julie fuhr mit der Zunge an dem Burger entlang wie ein Kind, das eine Eistüte schleckt.
»Den Kerl mit dem Messer.«
»Was für ein Messer?« Julie klang geistesabwesend.
»Du weiß schon, Chérie, dieser kleine Mann, der sich einen runterholt, während du Mamas Nachthemd trägst.«
Julies Kauen wurde langsamer und hörte schließlich ganz auf, aber sie gab keine Antwort. Ihr Gesicht sah aus wie das eines grauen Puttos. Jung, glatt und ausdruckslos.
Jewel trommelte mit den Fingernägeln auf der Tischplatte herum. »Nun mach schon, Süße, heraus mit der Sprache. Du weißt doch, von wem ich rede, oder?«
Julie schluckte den Bissen hinunter, blickte kurz auf und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Cheeseburger zu.
»Was ist mit ihm?« fragte sie und nahm noch einen Bissen.
»Wir wollten bloß wissen, ob es ihn noch gibt.«
»Wer ist sie?« fragte Julie und deutete mit dem halbgegessenen Burger auf mich.
»Sie heißt Tempe Brennan. Ist eine Freundin von Dr. Macaulay. Du kennst doch Dr. Macaulay, nicht wahr, chère?«
»Ist was nicht in Ordnung mit dem Typen, Jewel? Hat er Tripper oder Aids oder sowas? Warum fragst du nach ihm?«
Das Mädchen kam mir vor wie die Kristallkugel einer Wahrsagerin. Wenn überhaupt Antworten an die Oberfläche kamen, dann völlig zufällig und nicht auf die Fragen bezogen, die man gerade gestellt hatte.
»Nein, Süße. Ich wollte nur wissen, ob er sich immer noch sehen läßt.«
Julies Augen suchten die meinen. Sie sahen aus, als ob dahinter niemand mehr wohnen würde.
»Arbeiten Sie mit ihr?« fragte sie mich. Ihr Kinn glänzte vor Fett.
»Ja«, antwortete Jewel für mich. »Sie würde gerne ein paar Worte mit diesem Nachthemd-Typ reden.«
»Worüber denn?«
»Naja, das übliche eben«, sagte Jewel.
»Ist sie taubstumm oder was? Kann sie mir das denn nicht selber sagen?«
Ich wollte gerade den Mund aufmachen, als Jewel mir bedeutete zu schweigen.
Julie erwartete gar keine Antwort auf ihre Frage. Sie aß den Burger zu Ende und leckte sich einen nach dem anderen die Finger ab. Es dauerte endlos, bis sie damit fertig war.
»Was ist bloß los mit dem Kerl? Ist es, weil er auch über sie geredet hat?«
Eiskalte Angst drang in sämtliche Nervenbahnen meines Körpers.
»Über wen hat er geredet?« platzte ich heraus.
Julie sah mich mit herabhängendem Unterkiefer an. Ihr Mund stand halb offen wie zuvor. Wenn sie nicht sprach oder aß, schien sie entweder nicht in der Lage oder nicht willens zu sein, ihn zu schließen. Ich konnte sehen, daß noch Teile des Cheeseburgers an ihren Zähnen klebten.
»Warum wollen Sie den Kerl verhaften?«
»Wer spricht denn von verhaften?«
»Er ist mein einziger regelmäßiger Kunde.«
»Sie will gar niemanden verhaften«, sagte Jewel. »Sie will nur mit ihm reden.«
Julie nahm einen Schluck. Ich machte einen neuerlichen Versuch.
»Was haben Sie vorher gemeint, als sie sagten, er rede auch über sie. Über wen redet er, Julie?«
»Nun sag schon, Julie«, meinte Jewel. Ihre Stimme klang müde.
»Naja, über die Alte, die immer so schlampig herumläuft. Die mit dem Nasenring und den verrückten Haaren.« Julie schob sich eine ihrer eigenen dünnen Strähnen hinters Ohr. »Aber die ist schon okay. Hat mir öfter mal einen Doghnut gekauft. Von der redet ihr doch, oder?«
Ich ignorierte Jewels warnendes Zwinkern und fragte: »Was hat er über sie gesagt?«
»Irgendwie war er sauer auf sie. Ich weiß nicht so recht. Mich interessiert es nicht, was ein Freier sagt. Ich lasse mich von ihm ficken, aber das ist alles. Ich höre nichts und sage nichts. Das ist gesünder.«
»Aber der Mann ist einer Ihrer Stammkunden, oder?«
»Kann man so sagen.«
»Kommt er zu bestimmten
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