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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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übernachten?«
    Gabby gab mir keine Antwort. Auf einer Bank im Park schob sich ein alter Mann ein Bündel unter den Kopf und legte sich zum Schlafen hin.
    Gabby schwieg so lange, daß ich schon glaubte, sie habe mich nicht gehört. Als ich mich zu ihr umdrehte, sah ich, daß sie mir direkt ins Gesicht schaute. Ihre fahrigen Bewegungen von vorhin waren absoluter Ruhe gewichen. Ihr Rücken war so kerzengerade durchgedrückt, daß er nicht mehr die Lehne des Sitzes berührte. Eine Hand hatte sie in ihren Schoß gelegt, die andere preßte sie, zur Faust geballt, an ihre Lippen. Ihre Augen waren schmale, unbewegliche Schlitze, nur die unteren Lider zitterten kaum wahrnehmbar. Gabby schien in Gedanken mehrere Möglichkeiten mit ihren etwaigen Konsequenzen durchzugehen. Der plötzliche Umschwung von Nervosität zu Nachdenklichkeit irritierte mich mehr als alles andere.
    »Du hältst mich jetzt sicher für verrückt«, sagte sie mit ruhiger, tiefer Stimme.
    »Du verwirrst mich«, sagte ich und verschwieg ihr, was ich wirklich dachte.
    »Das kann ich dir wahrlich nicht verdenken«, sagte Gabby und schüttelte langsam den Kopf, wobei ihre Locken hin und her schwangen.
    »Ich schätze, ich bin vorhin richtig ausgeflippt.«
    Ich sagte nichts und wartete darauf, daß sie fortfuhr. Eine Autotür wurde zugeschlagen. Die tiefen, melancholischen Töne eines Saxophons drifteten quer über den Park herüber. Irgendwo in der Ferne heulte die Sirene eines Krankenwagens. Es war eine typische Sommernacht in Montreal.
    In der Dunkelheit spürte ich mehr als daß ich es sah, wie Gabby ihre Aufmerksamkeit von mir abwendete. Es war, als hätte sie endlich einen Weg zu mir gefunden, wäre aber im letzten Moment wieder abgebogen. Wie der Autofokus einer Videokamera stellten sich ihre Augen auf etwas ein, das hinter mir lag. Sie schien sich wieder in sich selbst zurückzuziehen, ihre Möglichkeiten durchzugehen und zu überlegen, welches Gesicht sie aufsetzen sollte.
    »Ich werde schon klarkommen«, sagte sie schließlich, nahm Akten- und Schultertasche und schickte sich an, die Tür zu öffnen. »Vielen Dank, daß du mich abgeholt hast. Ich weiß das zu schätzen.«
    Offenbar hatte sie sich für ein ausweichendes Verhalten entschieden.
    Vielleicht lag es an meiner Müdigkeit, vielleicht aber auch am Streß der vergangenen Tage. Jedenfalls ging ich in die Luft.
    »Jetzt paß mal auf!« explodierte ich. »Ich will jetzt wissen, was mit dir los ist! Vor einer Stunde hast du mir noch erzählt, daß jemand dich umbringen will! Und dann kommst du verängstigt aus dem Restaurant gerannt und keuchst, als wäre dir der Leibhaftige auf den Fersen! Deine Hände zitterten, als wärst du an eine Hochspannungsleitung angeschlossen. Und jetzt sagst du einfach ›Vielen Dank fürs Abholen‹ und willst ohne eine Erklärung verschwinden?«
    Mein Atem ging rasch und abgehackt, und eine Ader an meiner linken Schläfe fing zu zucken an. Ich war noch nie so wütend auf Gabby gewesen.
    Gabby saß wie versteinert da und blickte mich mit großen, erschrockenen Augen an wie ein Reh im Scheinwerferkegel. Ein vorbeifahrendes Auto tauchte ihr Gesicht zuerst in weißes, dann in rotes Licht.
    Einige Sekunden blieb sie aufrecht und gerade sitzen, ein katatonischer Scherenschnitt vor dem dunklen Nachthimmel. Dann, als habe jemand einen Stöpsel herausgezogen, schien sämtliche Anspannung mit einem Mal aus ihrem Körper zu weichen. Sie ließ den Türhebel los, legte die Aktentasche auf ihre Oberschenkel und lehnte sich im Sitz zurück. Vielleicht überlegte sie, wo sie mit einer Erklärung anfangen sollte, vielleicht suchte sie aber auch nach einer Ausrede. Ich wartete.
    Schließlich atmete sie tief durch und straffte die Schultern ein wenig. Offenbar hatte sie eine Entscheidung getroffen. Sie hatte noch nicht richtig zu reden begonnen, als mir klar wurde, daß sie mich nur bis zu einem gewissen Punkt ins Vertrauen ziehen würde. Gabby wählte ihr Worte so sorgfältig, als müsse sie einen Pfad durch den Sumpf ihrer Gedanken finden. Ich lehnte mich mit der Schulter an die Wagentür und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
    »Ich hatte in letzter Zeit mit ziemlich… ungewöhnlichen… Leuten zu tun.«
    Ich hielt das für eine Untertreibung, sagte es aber nicht.
    »Nein, nein. Ich weiß, wie banal das klingt. Aber ich meine nicht die Prostituierten. Mit denen komme ich klar.«
    Sie hatte sichtlich Mühe, die richtigen Worte zu finden.
    »Man braucht nur ihre Spielregeln und

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