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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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spielen.
    Ich entnahm dem Karton sechzehn wiederverschließbare Plastikbeutel und legte sie auf die linke Seite des Tisches. Auf jedem der Beutel waren der Name des Knochens und die Körperseite vermerkt, von der er stammte. Rechtes Handgelenk. Linkes Handgelenk. Rechtes Knie. Linkes Knie. Halswirbel. Brustwirbel. Beckenwirbel. Ich öffnete die Beutel und legte ihren Inhalt nach einem anatomisch korrekten Muster aus. Die Teile der Oberschenkelknochen legte ich zum Beispiel zu denen von Schien- und Wadenbein. Sie waren so abgesägt, daß jeweils noch die Gelenkpfannen daran waren. Die Arme wiederum wurden durch Stücke von Ellen und Speiche vertreten, die fünfzehn Zentimeter oberhalb der Gelenke abgetrennt waren. Die Schnittflächen, an denen die Knochen bei der Autopsie zersägt worden waren, hatten charakteristische Kerben, an denen ich sie von Einschnitten unterscheiden konnte, die der Mörder dem Skelett beigebracht hatte.
    Ich nahm den Block mit dem beschichteten Papier, drehte eine der Tuben auf und drückte einen Strang blauen Kunststoffmaterials auf das oberste Blatt. Dann öffnete ich die zweite Tube und drückte aus dieser einen ebenso langen weißen Strang. Ich nahm eines der Stücke von Isabelle Trottiers Armknochen, legte es vor mir auf den Tisch und nahm den Spatel zur Hand. Mit raschen Bewegungen vermischte ich den blauen und den weißen Strang zu einem zähen Kunststoffbrei, wie man ihn beim Zahnarzt für den Abdruck von Gebissen verwendet. Diesen füllte ich in eine Plastikspritze, mit der ich die dickflüssige Masse wie eine Sahneverzierung auf die Gelenkfläche des Knochens drückte und verteilte.
    Als ich damit fertig war, legte ich den Knochen weg, reinigte den Spatel und die Spritze und riß das Blatt ab, auf dem ich den Kunststoff angemischt hatte. Dann wiederholte ich die ganze Prozedur an einem anderen Knochen. Als der Kunststoff durchgehärtet war, entfernte ich ihn, versah ihn mit Fallnummer, genauer Bezeichnung des Knochens und Datum und legte ihn neben den Knochen, von dem ich den Abguß gemacht hatte. Es dauerte über zwei Stunden, bis neben jedem der Knochen ein hellblau schimmernder Abguß der Gelenkfläche lag.
    Als nächstes schaltete ich das Mikroskop an. Ich stellte den Vergrößerungsmaßstab ein und bog die aus einem Glasfaserkabel bestehende Beleuchtungseinrichtung so hin, daß das Licht in einem schrägen Winkel auf die Objektbühne fiel. Dann nahm ich Isabelle Gagnons rechten Oberschenkelknochen und untersuchte sorgfältig die kleinen Einschnitte und Kratzer.
    Ich konnte zwei verschiedene Arten von Einschnitten entdecken. Jeder der Arm- und Beinknochen wies eine Serie von grabenartigen Furchen auf, die parallel zu den Gelenkflächen verliefen. Die Wände dieser Furchen waren gerade und stießen unten in einem 90° Winkel auf den Boden. Die meisten dieser Schnitte waren etwa einen halben Zentimeter lang und etwas mehr als einen Millimeter breit.
    Der zweite Typ von Einschnitten war V-förmig, schmaler und hatte nicht die geraden Wände und Böden der grabenartigen Furchen. Ich fand sie parallel zu den anderen Einschnitten verlaufend an den Enden der langen Knochen, aber nicht am Hüftknochen oder an den Wirbeln.
    Ich zeichnete die Lage eines jeden Schnittes auf einem Knochendiagramm ein und maß seine Länge, Breite und, im Falle der grabenartigen Einschnitte, auch seine Tiefe. Als ich damit fertig war, sah ich mir jeden der Gräben noch einmal genauer an und verglich ihn mit dem Abguß, den ich von den Knochen angefertigt hatte. An der Positivform des Schnittes konnte ich winzige Details erkennen, die in den Gräben nur schlecht zu sehen waren. Die winzigen Beulen, Grate und Kratzer an den Grabenwänden sahen unter dem Mikroskop wie eine in hellblauem Plastik modellierte Reliefkarte mit Bergen, Hochflächen und Tälern aus.
    Der Mörder hatte die Leiche an den Gelenken zerlegt und die langen Knochen intakt gelassen. Es gab nur eine Ausnahme: Die Knochen an den Unterarmen hatte er knapp oberhalb der Handgelenke durchtrennt. Diese Schnittflächen an Elle und Speiche untersuchte ich genau, wobei ich mich besonders für die Späne an der Abbruchstelle interessierte, die am Ende jedes Sägenschnitts stehenbleiben.
    Als ich mit den Knochen von Isabelle Gagnon fertig war, wandte ich mich dem Skelett von Chantale Trottier zu.
    Irgendwann einmal fragte mich Denis, ob er etwas abschließen könne, und ich nickte geistesabwesend mit dem Kopf. Ich bemerkte nicht, daß rings um mich Stille

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