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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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schwachgelben Strahl der Taschenlampe, den ich wie einen schnüffelnden Spürhund über die Gebüsche rechts und links von mir huschen ließ.
    Nach etwa fünfzig Metern sah ich es. Im Nachhinein kommt es mir so vor, als hätten sich innerhalb einer Nanosekunde zwei Synapsen in meinem Kopf geschlossen, als hätte ich augenblicklich eine visuelle Sinneswahrnehmung mit einem erst kürzlich erlebten Ereignis verknüpft. Auf irgendeiner Wahrnehmungsebene wußte ich bereits, was ich sehen würde, noch bevor mein Bewußtsein das Bild richtig verarbeitet hatte.
    Erst als das Licht der Taschenlampe meinen Fund immer mehr aus der Dunkelheit hervorholte, erkannte ich, was ich entdeckt hatte. Ich spürte, wie mir der Mageninhalt hochkam.
    Im zittrigen Lichtstrahl sah ich einen braunen, halb von Schlamm bedeckten Müllsack, dessen zusammengedrehtes und verknotetes Ende aus dem nassen Laub ragte wie die Schnauze eines Seelöwen, der zum Luftholen an die Oberfläche des Meeres kommt.
    Während sich ein weiches Gefühl in meinen Knien breitmachte, sah ich, wie der Regen auf den Sack und die Erde ringsum prasselte. Das herabstürzende Wasser verwandelte das Erdreich auf dem improvisierten Grab in Schlamm und legte langsam, aber beständig den Müllsack immer weiter frei.
    Ein Blitz riß mich aus meiner Erstarrung. Ich sprang förmlich auf den Sack zu und ging in die Hocke, um ihn genauer zu untersuchen. Nachdem ich die Taschenlampe wieder in den Hosenbund gesteckt hatte, zog ich an dem Knoten, aber der Sack steckte noch zu tief in der Erde, als daß er sich bewegt hätte. Als nächstes versuchte ich, den Knoten zu lösen, aber meine nassen Finger rutschten an der glatten Plastikfolie ab. Ich hielt meine Nase an den Knoten und sog die Luft ein. Sie roch nach Schlamm und Plastik, sonst nichts.
    Als ich aber mit dem Daumennagel ein kleines Loch in den Sack ritzte und wieder roch, schlug mir der schwache, aber unverkennbar süßliche Geruch verwesten Fleisches entgegen. Noch bevor ich mich dafür entscheiden konnte, ob ich nun fliehen oder weitermachen wollte, hörte ich einen Ast knacken und spürte, wie sich etwas hinter mir bewegte. Ich versuchte noch, mich zur Seite zu werfen, aber ein greller Blitz zuckte durch meinen Kopf und schleuderte mich in eine Dunkelheit, die so schwarz war wie die damals in dem Pharaonengrab.

15
    Ich hatte schon lange keinen solchen Kater mehr gehabt. Es ging mir so schlecht, daß ich mich an fast gar nichts mehr erinnern konnte. Wenn ich mich bewegte, schoß mir ein stechender Schmerz wie eine Harpune durch den Kopf und zwang mich dazu, so still wie möglich liegen zu bleiben. Wenn ich die Augen öffnete, würde ich mich auf der Stelle übergeben müssen, das wußte ich genau. Mein Magen verkrampfte sich schon bei dem bloßen Gedanken an Bewegung, aber es half alles nichts. Ich mußte aufstehen. Mir war so kalt, daß ich am ganzen Körper zitterte. Ich brauchte unbedingt eine weitere Decke.
    Mit fest geschlossenen Augen setzte ich mich auf. Der Kopfschmerz war so stark, daß mir bittere Magensäure in den Mund stieg. Ich senkte den Kopf auf die Knie und wartete, bis die Übelkeit nicht mehr so schlimm war. Immer noch nicht in der Lage, die Augen zu öffnen, spuckte ich die Flüssigkeit in meine linke Hand und tastete mit der rechten nach dem Leintuch.
    Als ich statt Stoff feuchtes Laub und kleine Zweige in der Hand hielt, wurde mir trotz Kopfschmerzen und Schüttelfrost klar, daß ich mich nicht in meinem Bett befand. Diese Erkenntnis brachte mich dazu, die Augen zu öffnen, ganz gleich, wie schlimm die Schmerzen waren.
    Ich saß in nassen Kleidern und schlammbespritzt im Wald. Rings um mich herum lagen Blätter und kleinere Zweige am Boden, und die Luft roch intensiv nach Erde und verrottenden Blättern und Zweigen. Über mir sah ich einen Baldachin aus Ästen, die vor dem samtschwarzen Himmel wie dunkle, knochige Finger aussahen. Hinter den Blättern funkelten Tausende von Sternen.
    Dann kam auf einmal die Erinnerung wieder. Das Gewitter. Die Kette. Der Pfad. Aber wie kam es, daß ich hier am Boden lag? Das, was ich spürte, fühlte sich zwar an wie ein Alkoholkater, war aber gar keiner.
    Ich tastete meinen Hinterkopf ab und konnte eine Beule von der Größe einer Zitrone fühlen. Wunderbar, dachte ich. Wann wurde man schon zweimal in einer Woche zu Boden gestreckt? Es gab Boxer, denen weniger übel mitgespielt wurde.
    Aber wie hatte ich den Schlag auf den Hinterkopf bekommen? War ich ausgerutscht und

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