Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
der viel im Freien ist.
»Versteht sie Englisch oder Französisch?«
»Beides.«
»Hallo Margot«, sagte ich und ging in die Hocke, um sie hinter den Ohren zu kraulen. »Tut mir leid, daß ich dich für ein Männchen gehalten habe. Heute ist dein großer Tag, stimmt’s?«
Margots Schwanzwedeln nahm an Geschwindigkeit zu. Als ich mich aufrichtete, machte sie einen Satz zurück, drehte sich einmal um die eigene Achse und blieb dann stehen, um intensiv mein Gesicht zu studieren. Dabei legte sie den Kopf schief und runzelte die Stirn.
»Ich heiße Tempe Brennan«, sagte ich und streckte DeSalvo meine Hand hin.
DeSalvo schüttelte sie und befestigte mit der anderen Hand ein Ende der Hundeleine an seinem Gürtel. Sein Händedruck war kühl und fest wie aufgerauhtes Metall und verdiente im Gegensatz zu dem von Pater Poirier uneingeschränkt die Note Eins.
»David DeSalvo.«
»Wir glauben, daß da drinnen vielleicht noch mehr Leichenteile sind, Dave. Meinen Sie, Margot könnte nochmal eine Suchrunde drehen?«
»Sehen Sie selbst.«
Bei der Nennung ihres Namens hatte Margot die Ohren gespitzt und war aufgesprungen. Jetzt strich sie DeSalvo um die Beine und wandte die Blicke nicht von seinem Gesicht.
»Schön. Was haben Sie bisher mit ihr abgesucht?«
»Eigentlich das ganze Gelände. Bis auf das Stück auf dem Sie gearbeitet haben.«
»Kann es sein, daß Margot etwas entgangen ist?«
»Nein. Heute nicht.« DeSalvo schüttelte den Kopf. »Die Bedingungen sind geradezu ideal. Der Boden ist noch feucht vom Regen, und der Wind und die Temperatur sind genau richtig. Außerdem ist Margot in Topform.«
Margot drückte ihren Kopf an DeSalvos Knie und wurde mit Streicheleinheiten belohnt.
»Margot ist auf nichts anderes als Leichengeruch abgerichtet, und so wird sie auch nicht so rasch abgelenkt wie andere Hunde.«
Wie Spürhunde werden Leichenhunde auf das Verfolgen bestimmter Gerüche trainiert. In Margots Fall war es der Geruch des Todes. Ich erinnerte mich daran, einmal einen Vortrag an der Akademie über dieses Thema gehört zu haben. Manche Ausbilder verwenden Fläschchen mit Leichengeruch, Verwesungsparfüm genannt. Andere besorgen sich von ihrem Zahnarzt frisch gezogene Zähne, die sie in luftdichten Plastikdöschen heranreifen lassen, bis sie den richtigen Gestank entwickeln.
»Margot ist einer der besten Hunde, die ich je hatte. Wenn da draußen noch etwas ist, dann findet sie es auch.«
Ich sah sie an und glaubte ihm jedes Wort.
»Okay. Dann lassen wir sie mal rings um die Fundstelle des ersten Sacks suchen.«
DeSalvo hängte das freie Ende der Leine an Margots Halsband. Dann gingen wir zum Tor, wo die vier Detectives warteten. Hinter Margot, die ungeduldig an ihrer Leine zog, begaben wir uns auf der mir mittlerweile ziemlich vertrauten Zufahrt in das Grundstück hinein. Mit ihrer Nase tief über dem Boden, suchte Margot den Weg ab, so wie ich es in der Nacht zuvor mit dem Strahl meiner Taschenlampe getan hatte. Manchmal blieb sie stehen, hechelte ein wenig und stieß dann die Luft so ruckartig aus, daß die trockenen Blätter rings um ihre Schnauze aufgewirbelt wurden. Dann setzte sie sich sichtlich zufrieden wieder in Bewegung.
An der Stelle, wo der Pfad ins Gebüsch abzweigte, blieben wir stehen.
»Den Teil dort drüben haben wir noch nicht abgesucht.«
DeSalvo deutete in die Richtung der ersten Fundstelle.
»Am besten machen wir einen Bogen und lassen Margot gegen die Windrichtung suchen. So kann sie besser riechen. Wenn sie meint, etwas gefunden zu haben, lasse ich sie machen, was sie will.«
»Behindert es sie bei der Arbeit, wenn wir mitgehen?«
»Nein, Ihr Geruch stört sie nicht.«
Hund und Hundeführer folgten dem Pfad noch etwa zehn Meter, dann verschwanden sie im Unterholz. Die Detectives und ich blieben auf dem Pfad, der durch das viele Hin und Hergehen jetzt viel besser sichtbar war. Die Stelle, an der wir den ersten Sack gefunden hatten, sah aus wie eine kleine Lichtung. Gräser und Gebüsche waren niedergetrampelt und einige der überhängenden Äste waren abgeschnitten worden. In der Mitte der Lichtung klaffte das dunkle, von der Spurensicherung beträchtlich vergrößerte Loch wie ein geplündertes Grab. Daneben lag in mehreren kegelförmigen Haufen die ausgehobene und durchgesiebte Erde.
Es dauerte keine fünf Minuten, bis Margot zu bellen anfing.
»Ist er hinter uns?« fragte Claudel.
»Er ist eine sie«, korrigierte ich ihn. Claudel öffnete den Mund, sagte aber nichts. Ich
Weitere Kostenlose Bücher