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Tote Maedchen schreiben keine Briefe

Tote Maedchen schreiben keine Briefe

Titel: Tote Maedchen schreiben keine Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Giles
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decken, Jazz. Sie hat nicht nur das Geld genommen, sie beschuldigt dich auch noch. Warum versuchst du, ihr zu helfen?«
    »Sie ist meine Schwester«, erwiderte Jazz.
    Dad wurde so wütend, als ich die zwanzig Dollar nicht herausrückte, dass er mich auf mein Zimmer schickte. Ich fauchte und zeterte, was meine Lage nur noch verschlimmerte, und schließlich stapfte ich die Treppe hoch. Jazz hatte mir noch ihr selbstgefälliges Lächeln zugeworfen, als sie, ohne meine störende Wenigkeit, aber mit Dads zwanzig Dollar und seinem Wohlwollen, aus der Tür stolzierte.
    Ich holte mich in die Gegenwart zurück und betrachtete den Brief ein letztes Mal.
    Morgen würde ich es ihnen sagen. Ich wollte noch eine Nacht ohne Jazz verbringen.

 
3. Kapitel
    » W ach auf! Ich muss dir was erzählen.« Ich rüttelte Mom an der Schulter.
    Sie murmelte irgendwas und legte einen Arm über die Augen.
    Ich fasste sie am Kinn. »Komm schon, wach auf.«
    Ein tiefer Seufzer war ihre einzige Reaktion.
    »Wie viele Schlaftabletten hast du genommen?« Ich streifte mir mit dem Unterarm die Haare aus dem Gesicht.
    Wieder ein Seufzer.
    »Na schön, ich rufe Dad an. Dann erfährt er die Neuigkeit eben als Erster - wenn dich das nicht auf die Beine bringt, dann weiß ich auch nicht.«
    Ich schnappte mir das Telefon, das an seinem Platz auf einem runden Tischchen stand, lehnte mich an die Wand und rutschte nach unten, bis ich auf dem Boden saß. Während ich den Hörer zwischen Ohr und Schulter klemmte, stellte ich das Telefon auf meinen Schoß und hackte auf die Tasten ein. Der Freiton war zu hören.
    »Mach schon, Dad. Geh ran. Ich weiß, du hast einen Kater, aber ich werd es klingeln lassen, bis dir der Schädel explodiert. Also geh ran.«
    Beim zwölften Läuten hörte ich, wie der Hörer abgenommen wurde, dann erschütterte ein dumpfes Poltern mein Trommelfell. Dad hatte dem Telefon einen Stoß versetzt und es war auf den Boden gefallen.
    Oh Mann, letzte Nacht muss er sich so richtig weggeschossen haben. Ich trommelte mit den Fingern auf die dunklen Eichenholzdielen des Fußbodens und wartete, während am anderen Ende der Leitung eine Hand auf dem Telefon herumtastete, dann wieder danebengriff und es schepperte und polterte. Ich habe wirklich die Joker aus dem Genpool gezogen: einen Trinker, eine Pillenschluckerin und einen auferweckten Lazarus. Was für eine reizende Familie.
    »Ja, was?« Dads Stimme klang zittrig und verärgert.
    »Dad?«
    »Jep, ich glaub schon. Wie viel Uhr ist es?«
    »Dad, ich muss mit dir sprechen. Jetzt.«
    »Sunny, stress deinen alten Herrn nicht. Ich kann noch nicht mal die Zahlen auf der Uhr lesen.«
    »Aber die Buchstaben auf der Flasche kannst du schon lesen, oder? Ich wette, da steht >Jack Daniel's<.« Ich war nicht wütend, nur müde. Das war einfach zu anstrengend.
    »Sunn, wenn du dich über den betrunkenen Mistkerl von einem Vater beklagen willst, dann geh zu den Al-Anon oder 'ner anderen Selbsthilfegruppe.« Ihn ermüdete es genauso.
    »Ich weiß, es ist noch früh, aber es ist wichtig. Kannst du herkommen?«
    Ich hörte ein langes, tiefes Seufzen und ein leises Geräusch, das mir sagte, dass Dad sich mit der Hand über die Bartstoppeln fuhr.
    »Nichts ist so wichtig, dass es nicht bis Mittag warten könnte. Sag mir einfach, was los ist. Wenn ich rüberkomme, muss ich mir anhören, wie deine Mutter herum weint und jammert und mich zähneknirschend anstarrt. Das ertrag ich nicht.«
    Ich wartete eine Sekunde, um sicherzugehen, dass er zuhörte.
    »Dad, ich habe einen Brief von Jazz bekommen.«
    Das Telefon fiel erneut polternd zu Boden. Ich legte auf.
    Bingo, das weltweit erste Heilmittel gegen Kater.
    Ich bugsierte Mom unter die Dusche, wickelte sie anschließend in einen sauberen Frotteemantel und führte sie die Treppe hinunter, wo ich sie auf einen Stuhl setzte und ihr einen Becher Kaffee unter die Nase hielt.
    »Trink den. Dad wird gleich hier sein.«
    »Ich will nicht ... mit ihm reden«, winselte Mom.
    Meine Kiefermuskeln verkrampften sich. »Schön, dann rede nicht mit ihm. Hör einfach mir zu. Ich übernehme das Reden.«
    Einen Moment lang verspürte ich ein schlechtes Gewissen, so grob mit ihr umzuspringen. Aber meine Eltern würden schnell vergessen, dass ich so ungeduldig mit ihnen gewesen war. Sobald sie die Neuigkeit erfahren hatten, würden sie mich sowieso völlig vergessen.
    Mom umklammerte den Becher mit beiden Händen. »Sei nicht... Sei nicht hässlich zu mir. Ich hatte eine schlimme Nacht.«

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