Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
Vom Netzwerk:
einzelnen Lilim. Das hat mir jedenfalls Titania erklärt. Aber das ist ein Geheimnis. ›Das Geheimnis der Matrix.‹ Eigentlich sollen das nur Puppen wissen.«
    »Oh«, hauchte ich.
    »Irgendein Mädchen hat geplaudert. Morgenstern muss ihr wirklich Daumenschrauben angelegt haben. Dem werd ich es besorgen. Du wirst schon sehen. Er wird noch erfahren, wie sich das anfühlt!«
    »Kann Toxicophilous uns helfen?«
    »Mein ROM ist völlig durcheinandergeraten, aber Toxicophilous repräsentiert die Programme, die meine Dateien und meine Instinkte kontrollieren. Er ist mein Betriebssystem. Vielleicht kann er alles wieder in Ordnung bringen.« Sie ließ den Blick über die unwirkliche Stadt schweifen. »Er ist irgendwo da draußen; irgendwo, wo das Universum, wie Primavera Bobinski es sieht, zum Ur-Universum der Lilim wird.« Morgenstern wurde herbeizitiert. »Na los, bringen Sie mich zum Grosvenor Square!«
    Anscheinend hatte er begriffen, dass sein Leben von der morbiden Laune seiner ehemaligen Gefangenen abhing. Er nahm sich zusammen und wies mit einer missbilligenden Geste auf den Dächerwald. »Da unten herrscht völliges Chaos. Aus der Luft würde ich mich vielleicht zurechtfinden. Aber Sie haben gerade meinen Piloten gepfählt!«
    »Was bin ich doch für ein schlimmes Mädchen!«, sagte Primavera. An mich gewandt fügte sie hinzu: »Sieht so aus, als müsste ich mal wieder ordentlich zaubern. Jedenfalls in meinen Träumen. Ich werde uns drei über die Stadt fliegen, bis der Wichser hier diesen Grosvenor-Platz entdeckt.«
    »Und was mit mir?«, fragte Kito. »Was, wenn ihr nicht mehr kommen zurück?«
    »Keine Angst, Madame«, erwiderte Primavera. »Wenn es einen Ausgang gibt, können Sie sich darauf verlassen, dass ich Sie nicht vergesse!«
    »Wohin Sie gehen, Onkel Jack?«, fragte eine Pikadon.
    »Sie verschwinden, kommen wieder, dann wieder weg«, sagte die andere. »Sie uns mitnehmen!«
    »Haltet die Klappe«, sagte Primavera. »Wir werden jemandem einen Besuch abstatten, der mich neu booten kann.«
    »Seien Sie vorsichtig!«, rief Spalanzani. »Seien Sie vorsichtig, wenn Sie träumen. Die Stadt ist Teil Ihrer Erinnerungen, aber wir ‒ wir leben in Echtzeit. Was uns äußerst verwundbar macht.«
    »Ich werde nicht träumen«, sagte Primavera, »ich werde fliegen.« Sie legte mir einen Arm um die Taille.
    »Bitte«, sagte ich, »du weißt, dass ich nicht gerne fliege.«
    »Stell dich nicht so an«, sagte sie, »wir sind hier nicht in Marseille. Wir sind nicht auf der Flucht. Niemand wird auf uns schießen.« Sie packte Morgenstern und beugte die Knie. »Haltet euch fest, Jungs!« Ein kleiner Sprung, und wir flogen durch die Luft; Morgenstern war doppelt so schwer wie ich, sodass sie sofort zur Seite hin wegkippte. »Jipiee!« Morgenstern ließ die Arme kreisen wie ein Seiltänzer, der das Gleichgewicht verliert. Primavera sackte ein Stück ab, fing sich dann aber wieder und ging in einen gleichmäßigen Gleitflug über. Verdammt, wo war meine Spucktüte? Ich verschloss die Augen vor der Traumlandschaft unter mir.
    Morgenstern war meinem Beispiel offenbar gefolgt. »Du sollst nach diesem Platz Ausschau halten, du Wichser!«, fauchte Primavera. »Wir haben dich nicht mitgenommen, damit du jetzt kneifst.« Er atmete schnell und röchelnd. Primavera legte mir die Lippen ans Ohr. »Hat der Kerl Asthma oder was?« Sie schüttelte Morgenstern. »Meine Damen und Herren, hier wird es gleich ein wenig ungemütlich!« Unsere Tarnanzüge bauschten sich, als Primavera in den Sturzflug überging; das Hupen von Autos, Schreie, Straßenlärm wurde über das Rauschen des Windes hörbar.
    »Okay!«, rief Morgenstern. »Ich schau ja schon! Dort ist Selfridges, also muss dass die Oxford Street sein. Nein. Das ist ein Klong. Aber dort drüben ‒ das ist die Nelsonsäule. Piccadilly Circus. Diese Schwebebahn dürfte da nicht sein, und diese Tempel ... Moment mal. Ein Stück nach rechts. Nein. Geradeaus ...«
    »Das ist doch aussichtslos«, sagte Primavera, nachdem Morgenstern uns eine halbe Stunde lang wild in der Gegend herumgelotst hatte. Sie landete auf einer Hauptverkehrsader, wo eine Straße in einen Klong überging, direkt gegenüber von einem elektronischen Café. »Versuchen wir es mit dem Netz«, sagte sie und stieß die Türen des Cafés auf; als sie wieder zuschwangen, entließen sie Primavera auf die Straße.
    »Nicht gut?«, fragte ich.
    »Die besten Hamburger in der ganzen Stadt«, erwiderte sie, leckte sich Ketchup von

Weitere Kostenlose Bücher