Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
Vom Netzwerk:
dem Weltraum abknallen könnt.«
    »Nein, Sie verstehen das alles falsch.« Er keuchte und stöhnte, als wollte er jeden Moment seine Seele verkaufen, als sollte er gleich entjungfert und in Schimpf und Schande aus der Stadt getrieben werden. »Wir arbeiten mit ihr zusammen!«
    »Wichser!«, sagte Primavera.
    »Ich ging zum Fernseher hinüber und legte meine Handfläche auf die Nahaufnahme. »Jack. Seien Sie tapfer! Wir wollen nichts mehr hören. Das ist unter Ihrer Würde. So schlimm ist eine Unterleibspfählung doch gar nicht!«
    »Nur ein wenig unschön«, sagte Primavera. »Er ist nicht trepaniert worden.«
    Ich tippte Morgenstern gegen die Glasstirn. »Denken Sie an was Hübsches! Grüne Wiesen. Der Mond über dem Meer. Ihre Lieblingstorte. Ihre Mutter.« Ich drehte mich zu Primavera um. »Bereit?«
    »Wehe, du spielst noch einmal das arrogante Arschloch, wenn ich jemanden umbringe, Ignatz Zwakh! Hast du mich verstanden?«
    »Aber ich kenne das Geheimnis«, sagte Morgenstern, »das Geheimnis der Matrix!«
    »Und wenn schon«, erwiderte Primavera. »Ich auch. Wir alle kennen es. Jede Puppe Titanias.«
    »Sie werden ihn niemals finden«, sagte er. »Nicht allein. Nicht ohne mich.«
    »Wen finden?«, wollte ich wissen.
    »Er meint Dr. Toxicophilous. Der treibt sich auch hier drin herum. Manchmal erhasche ich einen kurzen Blick auf ihn, bevor ich einschlafe.«
    »Toxicophilous hat den Schlüssel zur Matrix«, sagte Morgenstern. »Er kann Sie aufwecken. Er kann uns rauslassen!«
    »Also suchen wir ihn eben, nachdem wir Sie umgebracht haben. Ich träume uns einfach auf den Grosvenor Square.« Primavera legte ihr Popcorn beiseite und stützte ihr Kinn mit der Hand ‒ die klassische Denkerpose. »Aber weißt du, Iggy, er hat nicht ganz unrecht. Wo fangen wir an zu suchen? Ich kann uns nicht an einen Ort träumen, den ich noch nie gesehen habe. Ich kann ihn mir nicht vorstellen!«
    »Aber da draußen sind doch haufenweise Dinge, die du noch nie gesehen hast«, sagte ich. »Halb London zum Beispiel.«
    »Bilderbücher. Schulunterricht. Keine Ahnung, wo noch. Aber ich habe sie gesehen.«
    Ich schlug mit der Hand auf die Oberseite des Fernsehers. Das Bild wackelte. »Woher weiß er so viel über die Matrix?«
    »Das ist doch offensichtlich, Iggy. Er hat es irgendeiner Puppe abgepresst. Wahrscheinlich bin ich nicht die Erste, die er gefangen hat.«
    »Titania hat es mir erzählt«, sagte Morgenstern. »Titanias Untertanen. Freiwillig.«
    »Aber sicher«, sagte ich. »Und warum hat Titania mir davon nichts erzählt?«
    »Titania«, sagte Morgenstern, »hat mir Vieles erzählt!«
    » Salaud .«
    »Yeah«, sagte Primavera, »meine Königin würde sich mit so einem wie Ihnen niemals einlassen.«
    »Ich kenne den Grosvenor Square«, sagte er. »Ich war vor Jahren dort stationiert. Ich kann euch hinführen.«
    Primavera blies die Backen auf und ließ geräuschvoll die Luft entweichen. Sie stand auf, wobei sie einen Stapel Mangas umstieß, und ging zwischen den Überresten unserer drei Jahre währenden Ferien im Weird auf und ab: zerbrochene Stühle, ein kaputtes Faxgerät, zerrissene, blutbefleckte Unterhosen (Trophäen von den »interessanten Jungen«, die sie aufgelesen hatte), alles von einer dicken Staubschicht bedeckt ‒ die Asche der kleinen Vulkane unseres Lebens. Angestrahlt wurde das Ganze von dem Phosphorleuchten der Fernsehapparate, über die Jack Morgensterns Gesicht flackerte; jedes Gerät war mit einer Krone aus Bierdosen versehen. Vor dem Fenster blinkte ein sterbendes Reklameschild mit Schluckauf. Grün, schwarz, grün, schwarz. Bangkok-London in seinem ganzen Noir -Schick ‒ billiger Glamour, der über den Himmel zuckte. Ganz nahe. Zu nahe. Primavera schnippte mit dem Finger. »Dann werde ich ihn wohl später umbringen müssen«, murmelte sie. Der hydroponische Garten nahm wieder Gestalt an, allerdings deutlich besser ausgeleuchtet als vorhin. Primavera hatte uns neu eingekleidet.
    »Tarnanzüge?«
    »Ich bin sauer«, erwiderte sie und packte Morgenstern am Kragen. »Vielleicht sind Sie aus Fleisch und Blut, vielleicht nur ein Haufen Pixel. Aber Sie wissen, zu was ich fähig bin, also versuchen Sie nicht, mich zu verarschen!« Ein kleines Publikum, das aus drei halbmenschlichen Gestalten und einem Nanotechniker bestand, schaute vorsichtig durch die Kuppeltür zu uns herüber. »Das gilt auch für euch!« Primavera nahm mich beiseite.
    »Ist Toxicophilous wirklich hier?«, fragte ich.
    »Er ist in jeder

Weitere Kostenlose Bücher