Tote Männer Milch (German Edition)
das konnte sie. Und wenn er es nicht tat, dann tat sie es eben. In der Liebe ist das nun mal so. Da muss immer einer den ersten Schritt tun, weil einer immer mehr liebt als der andere. Isolde fühlte sich, trotz des Schmerzes in ihrem Arm, stark genug.
„Verzeih mir, bitte!“, sagte sie und streckte Paul versöhnlich ihre Hand entgegen.
„Für was?“, giftete er sie an. „Dass du dich in mein Leben hineingefressen hast wie … wie…“, Paul stockte.
Wie eine vom Liebesdurst ausgemergelte Frau, dachte Isolde resigniert und hoffnungshungrig zugleich.
„…wie eine Kanalratte ins Abflussrohr!“, beendete Paul seinen Satz. „Verschwinde aus meiner Gegenwart, verschwinde aus meinem Haus, verschwinde aus meinem Leben!“, beschwor er sie. „Sonst zeige ich dich an!“
Er hatte sich zu Isolde herabgeneigt und drohend seinen Zeigefinger erhoben.
„Anzeigen? Für was?“ Isoldes Stimme hörte sich an wie das Pfeifen eines verkalkten Teekessels.
„Ich habe gesehen, wie du sie ins Wasser gestoßen hast! Du hast sie umgebracht! Mit einer Kaltblütigkeit, als hättest du das schon öfters gemacht! Als läge dir das Morden im Blut!“ Paul stieß verächtlich die Luft durch die Nase. „Wahrscheinlich hast du deinen Mann auch beseitigt. – Gib’s zu! Gestürzt sagst du, ist er? Von wo? Von der Treppe? Im Kartoffelkeller über deine Beine? Vom erstbesten Felsüberhang?“
Isolde schwieg.
„Wenn ich es nicht besser wüsste“, fuhr Paul in gesenkter Stimme fort, „dann könnte ich fast glauben, dass du Lydia auch umgebracht hast.“
Für einen Augenblick brach Trauer durch und der Zorn des Doktor Maibach, eines Mediziners, dessen Welt bisher von der Wahrscheinlichkeit der Naturgesetze bestimmt war, suchte sich einen anderen Adressaten: „Aber meine Stieftochter hat sich ja von ihren Kötern umbringen lassen und einem gottverfluchten Betonmischer.“
„Stieftochter?“, Isolde röchelte.
Paul schenkte Isoldes scheinheiliger Betroffenheit, wie er es empfand, keinerlei Aufmerksamkeit.
„Mach dass du wegkommst“, befahl er entnervt, stutzte jedoch im gleichen Moment.
„Wie bist du eigentlich hier reingekommen?“
Isolde zuckte zusammen, sah ihn an und begriff, dass sie das Objekt ihrer Liebe loslassen musste. Für immer, für ewig.
„Du hast gesagt“, hob sie mit gebrochener Stimme an, „dass du mich dabei gesehen hast wie…“
„Ja!“, schnitt er ihr grob das Wort ab, ohne sich nach ihr umzudrehen.
Doch Isolde sprach weiter: „Aber ich habe gefilmt, wie du sie einfach ohnmächtig ihrem Schicksal überlassen hast. Du wolltest, dass sie verreckt. Im Gegensatz zu deiner Anschuldigung, kann die meinige nachgewiesen werden.“
Isolde hatte sich aufgerichtet, ihr Tonfall klang träge. Genau wie ihre Schritte müde und kraftlos wirkten, als sie sich Richtung Tür begab.
„Ich gehe“, sagte sie sinnlos.
Paul fand es wenig sinnvoll, darauf zu antworten. Reglos wie eine ausgeblasene Kerze im Dunkeln stand er da. Er folgte nicht Isoldes Schritten, sondern versuchte, seinen Gedanken zu folgen. Wollte seiner lähmenden Angst entkommen. Er war froh, dass er es wenigstens noch zur Haustür schaffte, um abzuschließen. Dreimal drehte er den Schlüssel im Schloss um.
Isolde konnte das hektische Klappern hören. Denn sie saß mit angewinkelten Beinen auf einer Kleidertruhe, flocht ihre Haare zu einem Zopf und summte leise vor sich hin. Statt das Haus zu verlassen, hatte sie Pauls Starre genutzt, war die Treppe ins obere Geschoss hinaufgehuscht und hatte sich in Doris Maibachs Ankleidezimmer versteckt.
Währenddessen genehmigte sich Paul noch zwei Gläser Rum. Gleich morgen werde ich das Haustürschloss austauschen und mich der Polizei stellen, damit diese gottverdammte Scheiße endlich ein Ende hat, dachte er. Gleich morgen höre ich auch wieder mit dieser Trinkerei auf. Froh über diesen Entschluss ging er ins Bett und schlief sofort ein.
Isolde war nicht müde. Sie benötigte dringend eine Stärkung. Sie hatte das Ankleidezimmer verlassen und saß nun wie hingehext in der Küche, allein beleuchtet vom fahlen Mondlicht. Sie schmierte sich ein Butterbrot und studierte aufmerksam die Milchtüte, die vor ihr stand.
Kanadareise zu gewinnen – 1 Woche für 2 Personen in einem Dreisterne-Hotel, stand da geschrieben.
Kanada, dachte Isolde, während sie verträumt den Mond anblickte und ihr Butterbrot sorgsam kaute. Als sie aufgegessen hatte, schnitt sie die Milchtüte auf, goss die Milch in ein
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