Tote Pracht
Identität wieder angenommen hatte. Tom Grant war
sein richtiger Name. Wrightman war nur sein Deckname.«
Ross schaute mich an. In den
Scheinwerfern eines vorbeifahrenden Autos glitzerten ihre Augen auf.
»Grant schloß
neunzehnhundertzweiundsechzig das Jurastudium an der University of Illinois
ab«, fuhr ich fort. »Ich vermute, daß er wie viele Jurastudenten vom FBI
angeheuert wurde. Er nahm den Namen Wrightman an und wurde nach Berkeley
geschickt, um radikale Studentenvereinigungen zu infiltrieren. Damals wimmelte
es an den Unis von Spitzeln. Einer meiner Bekannten sagt, daß die meisten
keinen Erfolg hatten; daß sie entweder nicht dazupaßten und man ihnen keine
wichtigen Informationen anvertraute oder daß sie zu gut dazupaßten und deshalb
unzuverlässig wurden. Grant hatte eine Weile Erfolg, aber als er Jenny ein Kind
machte, verbündete er sich in gewisser Weise mit den Leuten, die vom FBI als
Feinde betrachtet wurden.«
An der Kreuzung zum Highway One bog ich
nach Norden ab. Ich fuhr über die Brücke nach Point Reyes Station. Hier war
mehr los als in Inverness. In den meisten Häusern brannte Licht, und vor einer
der Bars hatte sich eine Gruppe von Leuten auf dem Bürgersteig versammelt. Ross
schwieg, bis die kleine Stadt hinter uns lag.
»Können Sie das beweisen?«
»Nein, aber in San Francisco gibt es
einen Kriminalpolizisten, der es vermutlich kann, ob er das weiß oder nicht.
Und ich denke, daß es Ihnen und D. A. schon lange klar ist.«
»Ja, D. A. und ich hatten immer
vermutet, daß Andy uns verpfiffen hat. Warum hätten ihn die Beamten in Port
Chicago sonst einfach laufen lassen? Ich habe das damals gesehen: Er drückte D.
A. einfach seine Waffe in die Hand und verschwand. Und warum hat man gerade
seiner Freundin dieses Angebot gemacht und nicht einem von uns? Wenn man ein
Exempel statuieren wollte, dann wäre die Tochter reicher Eltern sicher besser
geeignet gewesen. Aber das wollte man nicht; damit hätte man Andy enttarnt. Und
Andy setzte sie vermutlich unter Druck; er muß eine höllische Angst gehabt
haben, daß seine Beziehung zu ihr ans Licht kommen und seine Karriere zerstören
würde.«
»Sie und D. A. haben vor Gericht nie
etwas davon erwähnt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Heute ist das
schwer zu glauben, aber damals wußten wir es nicht. Oder vielleicht wollten wir
nicht glauben, daß er ein Spitzel war. Wir sagten nichts, weil wir fürchteten,
daß wir uns vielleicht irrten und durch unsere Aussagen einen von uns verraten
könnten.«
»Andy verließ Berkeley, als Jenny ihm
sagte, daß sie schwanger sei, oder?«
»Hm.«
»Er wollte vermutlich an eine andere
Universität versetzt werden. Wenn es ans Licht gekommen wäre, daß sie ein Kind
von ihm bekam, dann hätte das FBI ihn wohl gefeuert. Aber es zog ihn doch
wieder zu ihr zurück — vielleicht lag ihm doch etwas an ihr, vielleicht war er
neugierig auf das Kind. Er kam ein paar Jahre später zurück, und als Sie den
Bombenanschlag planten, sah er darin eine Möglichkeit, die seiner Karriere
nützlich sein könnte.«
Wir fuhren nun durch Marshall. Das mit
Holzbalken verriegelte Austernrestaurant sah aus wie ein dunkler Monolith.
Nebelschwaden umwogten die kleinen Hütten und zogen über die nasse Straße.
»Als D. A. Sie am Mittwoch nachmittag
besuchte, sagte er da, daß er Grant zur Rede stellen wolle?«
»...Er redete nur unzusammenhängendes
Zeug. Wie meistens.«
»Als Sie ihm erzählten, wo Grant wohnte,
mußten Sie doch wissen, daß er hinfahren würde.«
»Ich glaubte nicht, daß er es
tatsächlich tun würde.«
Das bezweifelte ich, aber ich ließ es
vorläufig dabei bewenden. »Und am nächsten Tag am Strand — sprach er da von
Grant?«
»Nein. Es ging ihm schlecht; er hatte
Tabletten geschluckt und getrunken. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, aber wenn
D. A. sich vollaufen läßt...« Sie zuckte die Achseln. Nach einer Weile fragte
sie: »Warum sind Sie so sicher, daß D. A. bei Grant zu Hause war?«
»An jenem Abend soll D. A. Jakes
Transporter genommen haben und auf Sauftour gegangen sein. Mia erzählte mir, er
wäre in einen Kampf verwickelt gewesen und hätte seine Jacke verloren. Ein
Zeuge sah einen Transporter, wie Jake einen hat, kurz vor dem Mord vor Grants
Haus. Wenn D. A. Grant erschlagen hat, dann war seine Jacke vermutlich so mit
Blut besudelt, daß er sie loswerden wollte.«
»Oh, Gott, dann ist es also wahr.«
»Sie haben es die ganze Zeit schon
vermutet. Sie hätten es mir sagen
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