Tote Pracht
müssen.«
»Ich weiß, aber meine Beschützerinstinkte
bekamen die Oberhand. Ich versuche schon so lange, D. A. zu retten, daß es fast
zu einem Reflex geworden ist.«
»Sie sollten mittlerweile wissen, daß
er ein verlorener Fall ist. Der Mann will gar nicht gerettet werden.«
»Das stimmt, und doch versuchen wir
beide gerade, ihn ein letztes Mal zu retten.«
Kurz darauf näherten wir uns Nick’s
Cove. Ich fragte: »Ist Mia immer noch da, oder ist sie nach Hause
zurückgegangen?«
»Sie sagte, sie würde bei Taylors auf
mich warten.«
Ich gab bergaufwärts Gas.
»Was an der Sache mit Grant komisch
ist, ist, daß in der Zeitung nichts davon stand, daß er beim FBI war«, sagte
Ross.
»Ich dachte, Sie läsen keine Zeitung.«
»Ich sah die Schlagzeile, als ich gestern
in Point Reyes zum Einkaufen war, deshalb kaufte ich die Zeitung. Auf dem Bild
sah er nicht wie Andy aus, aber dann las ich den Namen Grant, den Sie bei Ihrem
Besuch erwähnt hatten.«
Soweit ich mich erinnerte, waren
Artikel und Bild auf einer der Innenseiten erschienen, an einer Stelle, die
Ross bei einem zufälligen Blick auf einen Zeitungsstand nicht aufgefallen wäre.
Ich ließ es im Augenblick aber dabei bewenden.
Sie fuhr fort: »Warum macht man heute
noch ein solches Geheimnis aus seiner Tätigkeit für das FBI? Bei dem heutigen
politischen Klima hätte er doch ein Buch über seine Erfahrungen schreiben, in
Talkshows auftreten und sich als ein Held feiern lassen können.«
»Ich denke, das FBI läßt so etwas nicht
zu. Informationen über die Aktivitäten von Spitzeln unterliegen der
Geheimhaltung. Aber selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, glaube ich
nicht, daß Grant mit der Sache an die Öffentlichkeit gegangen wäre. Er hatte
seine Gründe, warum er seine Vergangenheit geheimhalten wollte.«
»Sie meinen wegen Jennys Kind?«
»Das auch.« Aber ich konnte im Moment
nicht weiter ausholen, denn vor uns tauchten die Umrisse des Schildes mit der
Aufschrift »Taylor’s« auf und die Einfahrt zu dem mit Muschelkies bestreuten
Weg. Ich bog ab und fuhr auf den Parkplatz.
Meine Scheinwerfer erfaßten Mia Taylor.
Sie stand vor dem Restaurant. Die Werbeschilder für verschiedene Biere
leuchteten sie von hinten an. Sie trug einen blauen Pullover, der ihr viel zu
groß war. Bevor ich das Auto zum Stehen brachte, lief sie uns schon entgegen.
»Was machen Sie denn hier?« rief sie
und drückte ihr verblüfftes Gesicht an das Seitenfenster. Dann schaute sie über
mich hinweg und entdeckte Ross. »Oh.«
Ich stellte den Motor ab, und wir
stiegen aus. »Wo ist D. A.?« fragte ich.
»Weg. Auf der Insel. Er hat meine
Kinder mitgenommen.«
Mir wurde plötzlich kalt.
Ross kam um das Auto herum. »Er hat die
kleine Mia und Davey mitgenommen?«
Sie schloß die Augen und nickte.
»Warum? Warum hat er sie nur
mitgenommen?«
»Ich weiß es nicht.«
Ich fragte: »Haben Sie den Sheriff
angerufen?«
Ihre Augen weiteten sich entsetzt. »Das
kann ich nicht! Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß es mit D. A. schon soviel
Ärger gegeben hat. Nach dieser Geschichte mit Salcido habe ich außerdem Angst,
daß sie zuerst schießen und ihn töten und womöglich auch die Kinder treffen.«
Sie hatte recht. Ramon Salcido, ein
Arbeiter in einer Weinkellerei im Sonoma-Tal, war letztes Jahr unter dem
Einfluß von Drogen und Alkohol Amok gelaufen, wobei sieben Menschen, darunter
seine Frau und zwei seiner drei kleinen Töchter, ums Leben gekommen waren. Die
Sheriffs waren nun noch nervöser geworden, wenn es um Geiselnahmen mit Kindern
ging. Und die Sache mit Taylor — der ja als alkohol- und drogenabhängig bekannt
war — erinnerte nur allzusehr an den Fall Salcido.
»Ist D. A. bewaffnet?« fragte ich.
»Die Zweiundzwanziger, die wir hinter
der Bar aufbewahren, ist weg.«
Ross sah sich um. »Wo sind die anderen?
Was ist mit Jake und Harley?«
Mia sagte: »Die sind drüben im
Occidental — bei einem großen Abendessen für die Loge, der sie angehören. Aber
das ist ganz gut so — sie wollen D. A. sowieso nur umbringen.«
Ich warf Ross einen Blick zu, sie
zuckte die Achseln und fragte Mia: »Ist ein Boot da, das wir benutzen können?«
»Das mit dem Außenbordmotor ist am Dock
vertäut. D. A. hat eines der Ruderboote genommen. Das macht er manchmal, der
verdammte Narr, daß er in der Dunkelheit herumrudert. Als ich ihn ablegen
hörte, habe ich nachgesehen, was los war. Dann hörte ich meine Kinder weinen.«
»Sind Sie sicher, daß er zur
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