Tote Pracht
und zu den Eukalyptushainen im Presidio-Park,
die hinter einer Mauer aufragten. Er schwieg lange. Dann schaute er mich an.
»Ich fürchte, das kann ich nicht. Und ehrlich gesagt, es ist zwar eine Menge,
aber ich brauche das Geld eigentlich nicht. Ich verstehe, wie schwierig diese
Situation für Hank Zahn ist; er muß natürlich alles tun, um die Wünsche seiner
Mandanten auszuführen. Deshalb schlage ich vor, daß ich ein Dokument
unterzeichne, in dem ich auf alle Ansprüche aus dieser Erbschaft ein für
allemal verzichte.«
Das war eine unerwartete Geste — und
völlig unnötig obendrein. Nun stieg in mir der Verdacht auf, daß Tom Grant — trotz
seines scheinbar kühlen Gebarens — Perry Hilderly gekannt hatte und nicht
wollte, daß ich etwas über die Art der Beziehung erfahren könnte.
»Sind Sie sicher, daß Sie das wirklich
wollen?«
»Ja. Würden Sie Mr. Zahn bitten, die
Papiere vorzubereiten?«
»Selbstverständlich. Ich werde mir
einen Termin geben lassen, wenn die Unterlagen fertig sind.« Ich schloß den
Ordner und legte ihn in meine Aktentasche zurück.
Grant stand auf. »Bitten Sie doch
Angela, Ihnen einen Nachmittagstermin zu geben, ich möchte Ihnen dann gern mein
Atelier zeigen.«
Unwillkürlich blickte ich zu dem Regal
neben dem Kamin hinüber, wo die Federn der Spottdrossel das Stück trockene,
gespannte Haut verzierten. Mein Abscheu war noch größer geworden.
»Da Sie sich ja anscheinend für mein
Hobby interessieren«, fügte Grant hinzu.
Während ich durch den makellosen Vorgarten
zurückging, fiel mir plötzlich die Quelle jener eigentümlichen Worte wieder
ein, an die ich in Grants Büro gedacht hatte: sie entstammten der letzten
Stanze eines Liedes aus dem 17. Jahrhundert. Der englische Dichter John Webster
hatte es geschrieben, und ich hatte es während eines Literaturkurses in der
High-School auswendig gelernt. Ich konnte mich noch mehr oder weniger genau an
den ganzen Vierzeiler erinnern.
Vergeblich das Streben der Macht,
durch Trophäen und tote Pracht
ewige Unsterblichkeit zu erlangen,
es sind doch nur Netze, den Wind
einzufangen.
4
Es stellte sich heraus, daß Greg unser
Mittagessen platzen lassen mußte, was ich mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis
nahm. Als ich beim Morddezernat eintraf, gab mir einer der Inspektoren, ein
Mann namens Wallace, den ich vom Sehen kannte, einen Berg Akten und führte mich
in Gregs Kabine. »Der Lieutenant meinte, Sie können sie auf dem Tisch
liegenlassen, wenn Sie fertig sind«, sagte er zu mir.
So verbrachte ich meine eigentliche
Mittagspause damit, Akten über die Serie scheinbar unmotivierter Morde durchzulesen.
Es waren vier Fälle, der erste vom April, der letzte, nämlich Hilderlys
Ermordung, vom 6. Juli. Das erste Opfer, Angestellter in einer Gaststätte, war
spät am Abend auf dem Heimweg in seine Pension im Outer Mission-Viertel. Das
nächste war eine Krankenschwester auf dem Weg zu ihrer Spätschicht im
Kinderkrankenhaus in Laurel Heights. Das dritte Opfer, ein Kriegsinvalide,
hatte nicht schlafen können und war in Outer Sunset vors Haus getreten, um
etwas Luft zu schnappen. Minuten später wurde er erschossen. Und dann kam
Hilderly. Die Morde waren mit einer 357er Magnum ausgeführt worden. Die Kugeln,
die man in den Leichen gefunden hatte, waren ballistisch gesehen identisch. All
diese Morde waren nach zweiundzwanzig Uhr auf relativ ruhigen Straßen geschehen;
auch Hilderlys Fall war keine Ausnahme: der normalerweise recht belebte Geary
Boulevard lag um ein Uhr fünfzig morgens, als Hilderly an der Ecke zur Third
Avenue aus einem leeren städtischen Bus gestiegen war, wie ausgestorben da.
Bei keinem der Morde hatte es
Augenzeugen gegeben: In Hilderlys Fall war der städtische Bus bereits
weitergefahren. Familienangehörige, Freunde und Arbeitskollegen der Opfer waren
verhört worden. Aber die ermittelnden Beamten stießen weder auf Feinde noch auf
andere mögliche Mordmotive. Die Informationen in den Akten ergaben, daß die
Opfer mehr oder weniger aufrechte Bürger waren, normale Menschen, die normalen
Geschäften nachgingen. Ganz normale Leute, die nur zufälligerweise zur falschen
Zeit am falschen Ort gewesen waren.
Wie in solchen Fällen üblich, hatte das
Büro des Bürgermeisters für Informationen, die zur Ergreifung des Täters
führten, eine Belohnung ausgesetzt. Wie immer hatte es falsche Fährten gegeben,
waren Erpressungsversuche und Anrufe von Spinnern (darunter der Anruf einer
Frau, die
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