Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
letzten Zeit — und daß ich früher am Abend das Gefühl
gehabt hatte, beobachtet zu werden. Und daran, daß Hank in der vergangenen
Woche vor der Kanzlei das gleiche Gefühl gehabt hatte.
    Anne-Marie schlug vor, in ihrer Wohnung
auf die Polizei zu warten. Wir bahnten uns einen Weg durch die Menge, während
sie in ihrer Jeanstasche nach dem Schlüssel angelte. In der Ferne waren jetzt
Sirenen zu hören.
    Ich folgte Willie auf den Fersen.
»Fällt dir jemand ein, der auf dich schießen wollte?«
    »Nein. Vielleicht. Ich weiß nicht.
Vielleicht gibt es Leute, denen meine Werbespots nicht gefallen.« Die Bemerkung
war witzig gemeint, klang aber recht schwach.
    »Nun, du bist ja schließlich so was wie
eine Figur des öffentlichen Lebens.«
    Anne-Marie öffnete die Tür, und wir
stapften hinein.
    »Willie«, sagte ich, »denk nach...«
    »McCone, laß mich in Ruhe. Mein Mund
tut mir weh, mein Kopf tut mir weh, und nun muß ich auch noch mit den Bullen
reden. Du weißt, was ich von Bullen halte.«
    »Aber...«
    »Laß mich endlich in Ruhe!«
    Wir gingen in Anne-Maries Wohnzimmer.
Willie sank auf das hellgelbe Sofa und pflanzte seine gestiefelten Füße auf den
weißen Kaffeetisch im französischen Provinzstil. Sie protestierte nicht. Rae
stand schützend hinter dem Sofa.
    Ich sah Willie an. Er hatte einen
eigenartigen Gesichtsausdruck, als ob ihm etwas Beunruhigendes einfiele.
»McCone«, sagte er, »wenn ich es mir recht überlege, hatte ich in letzter Zeit
das Gefühl, daß mich jemand verfolgt.«
    »Hast du jemanden gesehen?«
    »Nein. Ich hatte irgendwie das Gefühl,
daß da jemand sei, aber wenn ich schaute, sah ich niemanden.«
    »Wann? Wie oft?«
    »Seit ein paar Wochen. Vielleicht
sechs-, siebenmal. Immer abends.«
    »Wo?«
    »Vor meinem Haus oder vor der Kanzlei,
wenn ich Rae besuchte. Ich...«
    Auf der Veranda waren Schritte zu
hören. Hank und zwei uniformierte Polizisten traten ein. Widerwillig machte ich
Platz, damit sie mit Willie sprechen konnten.
    Bis sie uns alle vorläufig befragt
hatten, waren auch die Beamten in Zivil eingetroffen. Ich war nicht überrascht,
Greg Marcus zu sehen. Er leitete die Untersuchung im Heckenschützenfall und
hatte mir am Morgen erzählt, er habe Spätdienst. Er hatte einen gewissen
Inspektor Bridges im Schlepptau und sah so frisch und munter aus, als hätte
sein Tag erst angefangen. Bridges wirkte verschlafen und mürrisch. Grimmig
guckte auch Greg, als er ins Zimmer trat, doch als er uns der Reihe nach
anschaute, zuckte ein amüsiertes Lächeln um seine Mundwinkel.
    »Ich habe diesen Haufen noch nie in
einem solch erbarmungswürdigen Zustand gesehen«, sagte er. »Könnt ihr denn
nicht einmal zusammen feiern, ohne in Schwierigkeiten zu geraten?«
    Willie runzelte die Stirn und überlegte
— nahm ich an ob er über Gregs Leichtfertigkeit verärgert sein sollte. Rae
hatte in dieser Hinsicht keine Zweifel: Aus ihren Augen schossen Blitze. Nach
ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, schienen Anne-Marie und Hank meine
Erleichterung zu teilen; Gregs Bemerkung hatte die angsterfüllte Spannung ein
wenig gelockert.
    Er bat die uniformierten Polizisten,
nach draußen zu gehen und nach der Kugel zu suchen. Dann fragte er Anne-Marie:
»Kann Inspektor Bridges euch irgendwo befragen, während ich allein mit Willie
spreche?«
    Sie nickte und winkte Bridges zu sich.
Hank und Rae verließen hinter ihm das Zimmer. Rae schaute über die Schulter
zurück zu Willie, als ob sie Angst habe, er könnte in ihrer Abwesenheit
verschwinden. Ich drückte mich an der Tür herum.
    »Du auch«, sagte Greg zu mir.
    »Kann ich nicht...«
    »Nein.«
    Entschlossen verschränkte ich meine
Arme.
    »Schau mich nicht so an«, sagte er. »Du
weißt, daß ich es nicht mag, wenn du mich so anschaust.«
    Ich blieb, wo ich war.
    »Verdammt noch mal, dann bleib eben da.
Aber unterbrich uns nicht. Eine Unterbrechung und du fliegst raus.«
    Ich nickte und setzte mich auf einen
klapprigen Stuhl am Fenster.
    Greg setzte sich neben Willie und
begann mit seiner Befragung. Im Grunde stellte er die gleichen Fragen wie
vorher ich, und er erhielt auch ähnliche Antworten. Aber als er darauf zu
sprechen kam, ob es Leute gäbe, die ihm schaden wollten, zuckte Willie nur mit
den Achseln und schwieg. Das lag, dachte ich, nicht daran, weil er etwas gegen
Greg persönlich hatte. Als alter Freund von Hank war er von Willies Mißtrauen
der Polizei gegenüber ausgenommen. Wahrscheinlich war es ihm peinlich, etwas so
Intuitives, wie das

Weitere Kostenlose Bücher