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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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zu können.
    Ich stieg aus und rief ihr einen Gruß
zu. Sie winkte und ging zu dem Balken hinüber, wo einer der Schecken stand. Als
ich auf sie zuging, holte sie einen Plastikstriegel aus dem Eimer und begann
das Pferd mit kreisförmigen Bewegungen zu striegeln.
    »Ich habe nicht erwartet, Sie nochmals
hier zu sehen«, sagte sie über die Schulter. »Ich habe mit Ihrem Chef
gesprochen; er sagte, daß mit meiner Erbschaft alles in Ordnung sei.«
    »Ja, das stimmt. Ich schaue nur vorbei,
um zu sehen, ob es Ihnen gutgeht.«
    Sie sah mich prüfend an; die Fältchen
um ihre Augen vertieften sich. »Warum sollte es mir nicht gutgehen?«
    Es fiel mir wieder ein, daß Libby Ross
weder einen Fernseher besaß noch eine Zeitung abonnierte.
    »Dann haben Sie es also noch nicht
gehört?«
    »Was gehört?«
    »Einer der anderen Begünstigten in
Hilderlys Testament, Tom Grant, wurde gestern abend ermordet.«
    Sie drehte sich langsam um. »Ermordet?
Von wem?«
    »Ich weiß es nicht. Der Mörder konnte
ungesehen entkommen.«
    »Gestern abend, sagen Sie?«
    »Ja.«
    »Wie?«
    »Er wurde in seinem Studio hinter dem
Haus erschlagen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Und...
glauben Sie, das hat etwas damit zu tun, daß er in Perrys Testament genannt
wurde?«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    Ihr Gesicht nahm einen eigenartigen
Ausdruck an — eine Mischung aus Angst und Verstehen. Einen Augenblick lang
schien sie in Gedanken zu versinken. »Sie glauben also, daß wir anderen
vielleicht auch in Gefahr sind.«
    »Das ist gut möglich.«
    Libby Ross schaute um sich — auf den
mit Zypressen bewachsenen Hügel, die Koppel und das kahle Land zwischen den
Ranchgebäuden und Abbotts Lagune. Ich wußte, was sie dachte: Hier wäre sie eine
leichte Beute für einen Mörder.
    »Sind Sie hier allein?« fragte ich.
    »Der Junge, der die Boxen reinigt, ist
im Moment da.« Sie deutete auf die Scheune. »Aber meistens bin ich allein. Mein
Stiefsohn Dick kommt und geht, aber selbst wenn er mal da ist, kann man nicht
auf ihn zählen.«
    »Könnten Sie eine Weile bei jemandem
wohnen? Bei Freunden oder Verwandten?«
    »Nein.« Sie schaute noch einen Moment
auf die Lagune, dann zuckte sie die Achseln und fuhr fort, den Schecken zu
striegeln. »Machen Sie sich um mich keine Sorgen«, sagte sie. »Ich habe ein
Gewehr und ein paar 22er im Haus. Wenn es darauf ankommt, bin ich eine verdammt
gute Schützin.«
    Ich lehnte mich an den Balken und
beobachtete sie, wie sie das Pferd bürstete. Der Wind blies ihr die
dunkelblonden Locken übers Gesicht, so daß ich ihren Ausdruck nicht erkennen
konnte. »Ich habe gerade mit Mia gesprochen. Sie hat mir erzählt, daß D. A. im
Gefängnis war.«
    Ihre Hand verlangsamte die
Kreisbewegung, dann nahm sie den Rhythmus wieder auf. »So? Das ist nicht gerade
ein Geheimnis.«
    »Was hat er getan?«
    Einen Augenblick lang dachte ich, sie
würde nicht antworten. Dann sagte sie: »Ein Bombenattentat auf das Waffenlager
der Marine in Antioch, Port Chicago.«
    »Wann?«
    »Im August neunundsechzig.«
    »Wer war bei Port Chicago noch dabei?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Ein Bombenattentat auf eine
Militäreinrichtung des Bundes macht man schließlich nicht alleine.«
    »Die Gruppe...«
    »Welche Gruppe?«
    Schweigen.
    »Welche Gruppe, Libby?«
    Sie warf den Striegel abrupt in den
Eimer zurück und wandte sich ab, als ob sie zur Scheune gehen wollte.
    Ich trat vor sie hin, griff nach den
zwei Medaillons in meiner Tasche und hielt sie in Augenhöhe. »Erinnern Sie sich
noch an die hier?«
    Ihre blauen Augen weiteten sich. Dann
schaute sie weg und versuchte, um mich herumzugehen. »Sie reden heute
ziemlichen Unsinn. Zuerst erzählen Sie mir, daß man mich vielleicht ermorden
will. Dann halten Sie mir irgendeinen billigen Schmuck vor die Nase...«
    »Hören Sie auf mit dem Unfug, Libby.
Ein Mann ist getötet worden.«
    Sie schwieg und biß sich auf die
Unterlippe, die trocken und rissig war; als ihre Zähne sie losließen, trat Blut
aus einem feinen Spalt.
    Ich hielt die Medaillons weiter in die
Höhe. Das graue Metall glänzte matt in der Sonne. Ross weigerte sich stur, einen
Blick darauf zu werfen.
    »Wie hat das Ganze ausgesehen, Libby?«
fragte ich.
    Keine Antwort.
    Ich schaute mich um, entdeckte einen
Stock auf dem Boden und hob ihn auf. Dann hockte ich mich vor ihr hin und
zeichnete mit dem scharfen Ende des Stockes auf dem Boden. »Es war ein Oval.
Etwa so. Auf dieser Seite waren die Buchstaben A und M. Auf dieser Seite K

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