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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Bewegung satt hatte und deshalb bereit
war, auf eigene Kosten nach Südostasien zu reisen. Er hatte ihnen offenbar auch
verschwiegen, daß er einen Artikel über die Kollektive schreiben wollte. »Wer
sonst noch?«
    »Niemand.«
    »Sie sagten doch, bis zu sieben.«
    »Die Leute kamen und gingen.«
    »Wer war außer D. A. noch in Port
Chicago dabei?«
    Sie stand auf und bürstete sich den
Schmutz vom Hinterteil ihrer Jeans.
    »Sie, Libby? Jenny Ruhl?«
    Sie drehte sich um und ging zum
Schuppen. Ich folgte ihr.
    »Was war mit Tom Grant?«
    An der Tür drehte sie sich zu mir um.
»Wie oft muß ich Ihnen noch sagen, daß ich Tom Grant nicht kenne?«
    Etwas in ihrer Stimme — ein fast
erleichterter Unterton — ließ mich innehalten. Ich beobachtete sie, wie sie den
Raum betrat, die Medaillons, die sie immer noch in der Hand hielt, auf den
Schreibtisch legte und nach Zaumzeug und Sattel griff. Als sie an mir vorbei
nach draußen ging, fragte ich: »Was ist mit ›right man‹?«
    Auf halbem Weg zu dem Pferd blieb sie
stehen. »Sprechen Sie von Andy?«
    Ich ließ mir meine Überraschung nicht
anmerken. »War er auch in Port Chicago dabei?«
    »Sie spaßen wohl?« Sie ging weiter in
Richtung Balken, legte den Sattel ab und begann, den Schecken aufzuzäumen.
    »Warum war er nicht dabei?«
    »Weil Andy Wrightman zu dem Zeitpunkt
schon lange verschwunden war. Es war... als ob es ihn nie gegeben hätte.« Ihre
Finger fummelten ungeschickt an dem Zaumzeug herum, ihre Hände zitterten
leicht; sie hatte Schwierigkeiten, die Zunge des Gurtes durch das Loch zu
ziehen.
    »Er war Jenny Ruhls Liebhaber in
Berkeley, oder?«
    »Einer von ihren Liebhabern.«
    »War er Jessicas Vater?«
    »Das weiß der Himmel. Eine Zeitlang
trieb es Jenny mit vielen Männern. Aber wahrscheinlich war er es. Vom Zeitpunkt
her kommt es hin.«
    »Verschwand Andy Wrightman, als Jenny
schwanger wurde?«
    »Ja.«
    »Was wissen Sie von ihm?«
    Ross wuchtete den Sattel auf den
Schecken, paßte ihn an und bückte sich, um den Gurt festzuziehen. Ihre Stimme
klang gedämpft, als sie sagte: »Praktisch nichts. Er war ein... Niemand.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wo er herkam?«
    »Nein.«
    »Ich vermute, er kam aus dem Südwesten
und ist neunundsechzig noch mal zu Jenny zurückgekehrt — zumindest für eine
Weile.«
    Ross richtete sich auf, ihr Gesicht war
rot, ob vor Anstrengung oder Wut, konnte ich nicht sagen. »Um Gottes willen,
wie kommen Sie darauf?«
    »Jennys Tochter hat mir erzählt, daß
ihr Vater sie zusammen mit ihrer Mutter einmal besuchte, als sie vier Jahre alt
war. Das muß neunundsechzig gewesen sein. Und der Mann trug eine Krawatte aus
Lederschnüren, wie viele Leute aus dem Südwesten.«
    Ross schien das lustig zu finden. Sie
kicherte und sagte: »Alle möglichen Leute tragen solche Krawatten — und
Touristen kaufen sie im Urlaub. Über Jennys Tochter weiß ich nur, daß es sie
gibt.«
    »Und über Andy Wrightman wissen Sie
nichts?«
    »Ich sagte Ihnen doch schon, er spielte
keine Rolle.«
    »Das ist komisch: Als ich D. A. vor ein
paar Tagen besuchte, beschrieb ich ihm Tom Grant, so wie ich ihn Ihnen beschrieben
habe. Wissen Sie, was er sagte?«
    »Wenn es um D. A. geht, weiß ich
überhaupt nichts.«
    »Er wurde sehr aufgeregt und sagte:
Wrightman!‹«
    Ross biß sich schon wieder auf die
Lippe, und dann warf sie mir einen langen, berechnenden Blick zu. »Ich muß
jetzt zu dem Nachbarn hinüberreiten, der sein Vieh auf meinem Land weiden läßt.
Wenn ich zurückkomme, will ich Sie hier nicht mehr sehen. Und kommen Sie ja
nicht wieder.«
    »Ich muß fragen...«
    »Nein. Keine weiteren Fragen. Ich habe
Ihnen schon einmal gesagt, das ist eine alte und traurige Geschichte, und ich
will nicht darüber sprechen. Ich habe schon viel zuviel gesagt.«
    »D. A. hat Sie gestern nachmittag
besucht. Warum?«
    Ihre Augen verengten sich, während sie
den Schecken bestieg. »Ich nehme an, Mia hat Ihnen das erzählt?«
    »Ja.«
    »Das ist typisch. Mia ist jung und
unsicher. Sie versteht nicht, was zwischen D. A. und mir ist... war. Also legt
sie sich die einfachste Erklärung zurecht und ist eifersüchtig. Jedesmal, wenn
D. A. irgendwo hingeht, glaubt sie, er käme hierher. Aber das stimmt nicht. Ich
habe ihn schon lange nicht mehr gesehen, und ich erwarte ihn auch nicht in
absehbarer Zeit.«
    Sie drehte abrupt ab und ließ das Pferd
traben. Ich sah zu, wie sie den Pfad unter den Bäumen einschlug; sie ritt nicht
in Richtung des Nachbarn, der sein Vieh auf ihrem

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