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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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zusammen mit dem Revolver in Hilderlys Beutel gefunden hatte. »Kommt Ihnen
dies bekannt vor?«
    Ihr Gesicht verriet Anspannung. »D. A.
hat auch so etwas. Aber mit anderen Buchstaben.«
    »Kann ich es sehen?«
    »...Ich denke, das ginge schon.« Sie
fröstelte und zog ihre Arme um die Brust. »Es ist unheimlich — soviel ich weiß,
hat er es nie getragen, aber manchmal überrasche ich ihn dabei, wie er es aus
der Schublade holt und es anschaut wie eine Art... ich weiß nicht, wie einen
magischen Gegenstand vielleicht. Als ob es Macht über ihn habe. Ich glaube, es
hat mit all dem etwas zu tun.«
    »All dem?«
    »Was früher passiert ist, Sie wissen
schon.« Sie stand unvermittelt auf und ging zur Tür. »Ich hole es. Sie warten
am besten hier.«
    Während sie weg war, trat ich ans
Fenster und spähte durch die salzverkrusteten Scheiben auf die Bucht hinaus.
Hog Island war heute deutlich zu erkennen; seine felsigen Erhebungen ragten
über die dichten Bäume hinaus. Ich dachte daran, welche Anziehungskraft diese
Insel auf D. A. ausübte, wenn er Tag für Tag am Ende seines Docks saß; ich
erinnerte mich wieder an seine Absicht, dorthin zu gehen, wenn alles zuviel für
ihn würde, und meine unheimliche Gewißheit, daß er seinem Leben ein Ende setzen
wollte. Ein Leben, das er vor langem einer Sache geopfert hatte, die seine
junge Frau als dumm bezeichnete.
    Ich war in diesem Punkt anderer Ansicht
als Mia. Erstens war die Antikriegsbewegung nicht dumm gewesen; sie hatte Leben
gerettet, unsere Truppen aus einem Land zurückgeholt, in dem wir nichts zu
suchen hatten, und uns — zumindest eine Zeitlang — die Hoffnung auf eine
Zukunft gegeben. Außerdem lag der Grund für D. A.s verpfuschtes Leben weniger
in seinen Antikriegsaktivitäten als vielmehr in seiner eigenen Natur. Er wäre
seinen Schwächen vielleicht ebenso zum Opfer gefallen, wenn er seine Ausbildung
abgeschlossen und eine Professur angenommen hätte oder Teilhaber in einer
bekannten Rechtsanwaltskanzlei oder Aufsichtsrat in einer großen Firma geworden
wäre.
    Für mich war D. A. Taylor eine
pathetische und gleichzeitig eine heldenhafte Gestalt. Pathetisch wegen seiner
Drogenabhängigkeit und seiner Unfähigkeit, die Vergangenheit loszulassen, aber
gerade diese Vergangenheit machte ihn zum Helden. Zumindest hatte sich dieser
Mensch einmal leidenschaftlich für etwas eingesetzt, das über eigensüchtige
Interessen hinausging, hatte für seine Ideale gekämpft. Vielleicht wurde dieses
Bild von meinen negativen Gefühlen angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen
in Amerika beeinflußt: mangelndes Mitgefühl, Angst, Risiken einzugehen,
Unfähigkeit, an selbstlose Ideale zu glauben und an ihnen festzuhalten. Taylor
war ein Mensch, der versucht hatte, etwas zu ändern, und dabei sein eigenes
Leben aufs Spiel gesetzt hatte.
    Nach einer Weile legte ein Motorschiff
mit Harley am Steuer an dem baufälligen Dock hinter dem Restaurant an. Die
räudigen Hunde, die in der Sonne geschlafen hatten — es schienen Dutzende zu
sein sprangen auf und liefen los, um ihn zu begrüßen. In der Küche, die von der
Bar abging, klapperte irgend etwas. Ein Motor — der des Kühlschranks? — surrte,
knirschte und verstummte. Ich wandte mich vom Fenster ab und schaute auf das
leere, trostlose Lokal.
    Kein Geld der Welt, nicht einmal
Hilderlys Vermächtnis an D. A., konnte diesen Ort vor dem Niedergang bewahren.
Weder Reparaturen noch finanzielles Geschick — über das in der Familie
vermutlich sowieso niemand verfügte — würden das Geschäft wieder in Gang
bringen. Es fiel mir wieder ein, daß Mia gesagt hatte, Harley und Jake hätten
D. A.s Erbschaft bereits verplant. Ich machte mir im Geiste eine Notiz, daß ich
mit Hank sprechen und ihn drängen mußte, Mia davon zu überzeugen, das Geld in
einen Fonds für D. A., sie und ihre Kinder zu legen.
    Das Geräusch der Tür riß mich aus
meinen Gedanken. Mia kam herein mit verzerrtem Gesicht und aufeinandergepreßten
Lippen, so als ob sie gegen die Tränen anzukämpfen versuchte. »Ist irgendwas
los?« fragte ich.
    »Es ist immer irgendwas los. D. A. ist
aufgewacht und hat sich wieder aus dem Staub gemacht. Ich weiß nicht wohin — die
Laster und Autos sind noch alle da. Und wissen Sie was? Vielleicht ist es mir
egal. Vielleicht wäre es am besten für mich und meine Kinder, wenn er auf die
Straße hinausstolpert und von einem Auto überfahren wird oder wenn er in die
Bucht fällt, das Bewußtsein verliert und ertrinkt.«
    Ihre

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