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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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mitnehmen.
    Ich ging ins Badezimmer, schob einen
Vorrat an Reinigungsmitteln zur Seite und legte mich auf den Boden, damit ich
das Schloß aufsperren konnte. Ich hatte die 38er so lange schon nicht mehr
herausgenommen, daß sie unter dem Samtbeutel lag, in dem ich die Granatohrringe
meiner Großmutter aufbewahrte. Die hatte ich Neujahr das letzte Mal getragen.
Ihr Anblick ließ bittersüße Erinnerungen wach werden. Am 30. Dezember hatte ich
George Kostakos kennengelernt; er hatte mich Silvester ein paar Minuten nach
Mitternacht zum ersten Mal angerufen.
    Seitdem war soviel passiert: Wir waren
uns so nahe gekommen, um uns dann wieder voneinander zu entfernen. George hatte
gesagt, daß er mich sehr mochte, daß er, wenn sich der psychische Zustand
seiner Frau, von der er sich entfremdet hatte, stabilisiert habe, sich wieder
bei mir melden würde, um zu sehen, ob ich ihn noch haben wollte. Aber Monate
waren vergangen, und ich hatte nichts von ihm gehört; nun wußte ich nicht
einmal mehr, ob ich ihn noch wollte. Vielleicht ist es besser, allein durchs
Leben zu gehen, dadurch bleiben einem viele Schmerzen und Enttäuschungen
erspart. Leute, die nur oberflächliche Kurzzeitbeziehungen pflegen, sind
möglicherweise am glücklichsten.
    Aber oberflächliche Kurzzeitbeziehungen
hatten mir noch nie gelegen. Und ich war mir nicht sicher, ob Glück überhaupt
ein erreichbares Ziel ist. Manchmal erschien es mir wie ein Mythos — etwas, das
die Werbeindustrie erfunden hatte, um mehr Zahnpasta zu verkaufen.
    »Das reicht!« sagte ich laut. »Es gibt
schließlich Wichtigeres.« Ich nahm den Revolver heraus, verschloß die Kiste und
stand auf.
    Ich stellte fest, daß ich in der
letzten Zeit immer mehr Selbstgespräche führte. Die meisten Leute reden mit
sich selbst, vor allem, wenn sie allein leben. Aber bei mir hatte ich das
Gefühl, daß der vernünftige, autarke Teil meiner selbst dem verletzlichen Teil
befahl, sich zusammenzureißen. Und ich vermutete, daß die vernünftige McCone in
dieser Debatte unterlag.
    Bevor ich das Haus verließ, hörte ich
noch meinen Anrufbeantworter ab, für den Fall, daß der Wolf versucht hatte,
mich daheim zu erreichen. Die erste Nachricht war von Jim Addison. Er klang
wütend, daß ich nicht zurückgerufen hatte. Ich spulte schnell vor, da ich nicht
wollte, daß meine Furcht vor seinem Jähzorn meine Nervosität im Fall des
Heckenschützen noch verstärkte. Die einzige andere Nachricht kam von meiner
Mutter, die sich beklagte, daß ich letzte Woche nicht angerufen hatte. Ich
hätte mich wirklich bei ihr melden sollen, aber ich hatte ihr eigentlich nichts
zu sagen. Und nun konnte ich nicht, denn meine Mutter hört die feinen Untertöne
in meiner Stimme und würde sehr schnell herausfinden, daß etwas nicht stimmte.
Dann würde sie so lange bohren, bis ich ihr vom Heckenschützen und der Gefahr,
in der sich meine Freunde befanden, erzählte. Und schließlich würde sie sich
Sorgen machen, da sie ja schließlich in San Diego unten wohnt und mir auch dann
nicht helfen könnte, wenn sie hier wäre. Wenn Mama sich um eines ihrer Kinder
sorgt, ruft sie die anderen vier an und erzählt ihnen davon. Und bald ist das
reinste Sorgenfest im Gange. Das einzige Familienmitglied, das sich daran nicht
beteiligt, ist mein Vater; Papa bleibt in seiner Werkstatt in der Garage,
spielt Gitarre und singt schmutzige Volkslieder, und zwar so laut — denn er
wird allmählich taub — , daß die ganze Nachbarschaft schockiert ist.
    Nein, beschloß ich, ich kann Mama erst
zurückrufen, wenn die ganze Sache ausgestanden ist.
     
    Um Viertel nach elf saßen Rae und ich
mit gekreuzten Beinen auf ihrem Messingbett und spielten die, wie es schien,
tausendste Runde Gin Rummy; wir zockten schon seit neun Uhr. Anfangs hatten wir
über die Morde des Heckenschützen und über den Fall Hilderly gesprochen, aber
dann waren wir verstummt. Nun hörte man nur das Aufschlagen der Karten, das
ferne Klagen des Nebelhorns und leises Maunzen und zufriedene Seufzer aus dem
Schrankkoffer unter dem Erkerfenster, wo Ralph und Alice sich im Schlaf
zusammengekuschelt hatten. Rae war heute ihr Babysitter, da Ted zu einem
Gottesdienst für ihren ehemaligen Besitzer gegangen war.
    Ich mußte zugeben, daß die Anwesenheit
der schlafenden Katzen beruhigend war. Und Raes Zimmer — das sie selbst im
hinteren Bereich des nur teilweise fertigen Speichers ausgebaut hatte, nachdem
sie monatelang in ihrem Büro gewohnt hatte und keines der anderen

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