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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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werde ich doch noch
erwachsen.« Es klopfte. Sie rief: »Herein.«
    Hank trat ein. Er sah hohlwangig und
müde aus. Er warf einen Blick auf Raes Haare und meinte: »Du lieber Himmel, wen
willst du denn erschrecken?«
    »Im Moment ist es vielleicht häßlich,
aber morgen werde ich glänzende, kastanienbraune Locken haben, und du wirst
immer noch so aussehen, als trügest du einen gebrauchten Scheuerlappen.«
    Er mußte lachen. »Eins zu null für
dich.« Zu mir gewandt fügte er hinzu: »Ich wäre jetzt bereit zum Heimgehen,
wenn meine Leibwächterin so freundlich wäre, mich zu begleiten.« Trotz der
leicht dahingesagten Worte klang er nervös.
    Ich packte die Popcornschüssel und
stand auf. »Laß uns gehen.«
    Rae stand auch auf und nahm mir die
Schüssel aus der Hand. »Ich nehme das schon. Ich möchte sehen, ob es
irgendeinen guten Spätfilm im Fernsehen gibt.«
    Wir trotteten gemeinsam die zwei
Treppen hinunter. Ralph und Alice stolperten hinter uns her. Nach ihrem
Nickerchen waren sie wieder zu neuen Schandtaten bereit. Im Gang wünschte uns
Rae eine gute Nacht und scheuchte sie in die Küche.
    Hank hatte seinen Mantel bereits an.
Ich holte meine Tasche und meine Jacke aus Raes Büro. Als ich herauskam, stand
er an der Tür. »Warte einen Moment«, sagte ich und nahm die 38er heraus.
    Hanks Blick richtete sich auf den
Revolver, und er schluckte. Er konnte sich nun gut vorstellen, daß der
Heckenschütze draußen auf ihn lauerte. Ich fragte: »Bist du sicher, daß du
nicht lieber hierbleiben willst?«
    »...kann nicht. Der Fall, den ich
bearbeite, ist wichtig. Ich brauche meinen Schlaf.«
    »Also dann. Bleib hier, während ich
mich umsehe.«
    Ich öffnete die Tür und trat auf die
Stufen hinaus. Der Nebel hing dicht und reglos über der Stadt. Ich konnte die
verschwommenen Lichter in den Häusern auf der anderen Seite des kleinen Parks
kaum sehen; die wenigen schattigen Bäume der Anlage und die Abfallkörbe lagen
in nebelverhangener Dunkelheit. Ich hielt mich mehr als eine Minute lang still,
schaute mich um und lauschte. Nichts bewegte sich, und die einzigen Geräusche,
die ich hörte, waren die eines normalen Abends in einer ruhigen Gegend.
    Schließlich trat ich zurück und sagte
zu Hank: »Es scheint alles in Ordnung zu sein, aber wir werden klar zu erkennen
geben, daß wir zu zweit sind. Mein Auto steht in der Einfahrt, und die
Beifahrertür ist nicht verschlossen. Zögere nicht, und schau dich nicht um,
steig einfach ein, und duck dich. Bei deiner Wohnung fahren wir gleich in die
Garage.«
    »Und mein Auto?«
    »Das lassen wir hier. Ich hole dich
morgen früh ab, so daß du es holen kannst, bevor du zum Gericht mußt.
Hoffentlich hat sich der Nebel bis morgen abend verzogen.« Ich öffnete die Tür
erneut und trat auf die Veranda hinaus.
    Hank zögerte einen Moment, bevor er mir
folgte. Hinter ihm sah ich Rae, die uns beobachtete. Vor der Küchentür
zeichnete sich ihr Schatten ab.
    Draußen war noch immer alles ruhig. Ich
warf nochmals einen prüfenden Blick auf den Park. Hank schloß die Tür hinter
uns. Ich begann die Treppe hinunterzugehen und gab ihm mit meinem Körper
Deckung. Aus irgendeinem Grund wollte er links an mir vorbei. »Heh!...«
    Und dann bewegten sich die Zweige eines
Baumes am Rande des Parks. Sie raschelten, obwohl kein Lüftchen zu spüren war.
Ich schob mich wieder vor Hank und brüllte ihn an, er solle sich ducken.
    Dann hörte ich einen Pfeifton. Die
Säule neben mir splitterte. Ein Holzteilchen ritzte meine Wange, als ich den
Schuß hörte.
    Hank erstarrte.
    Ich warf mich mit meinem ganzen
Körpergewicht gegen ihn. Er polterte gegen das Geländer auf der anderen Seite.
    Wieder ein Pfeifton. Wieder ein
Einschlag. Hank grunzte und taumelte die Treppen hinunter.
    Ich folgte ihm. Preßte meinen Körper
gegen das Pflaster. Keine weiteren Schüsse mehr. Nichts.
    Ich schob meine Hand zu Hank hin.
Berührte etwas Warmes, Nasses. Hielt mir die Finger vor die Augen. Blut.
    Ich hob den Kopf, um ihn anzuschauen.
Er lag ganz ruhig, und das Pflaster um ihn herum färbte sich rot.
     
     
     

19
     
    Von Panik ergriffen fühlte ich Hanks
Puls in seinem Nacken. Ich spürte ihn nur noch schwach und unregelmäßig.
    Jemand am oberen Ende der Treppe rief
irgend etwas von Notruf. Dann kniete Rae neben mir und umklammerte meinen Arm.
»Um Gottes willen — lebt er noch?«
    »Ja, gerade noch.« Ich schüttelte ihre
Hand ab und richtete mich auf. Meine Augen flogen über das Parkgelände. Eine
Gestalt,

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