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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ein afrikanischer Amerikaner. Eine
solche Phrasendrescherei! Vor einiger Zeit erzählte mir dann mein Enkel — er
geht aufs College — , daß das nun auch wieder out ist. Nun sind wir Menschen
mit farbiger Haut‹.
    Da habe ich zu ihm gesagt: Was soll
denn das? Als ich so alt war wie du, waren wir Farbige. Und wenn es so
weitergeht, werden wir bald wieder Nigger sein.‹ Der junge Mann fand das gar
nicht komisch.«
    Ich schon, und ich merkte, daß Cal sich
über mein Lachen freute. Aber dann wurde ich wieder ernst. »Was die jungen
Leute in dem rosa Haus angeht...?«
    »Dazu komme ich schon. Glauben Sie
nicht, daß ich zu den alten Männern gehöre, die vom Hundertsten ins Tausendste
kommen. Ich wollte Sie nur ein bißchen aufheitern; Sie sahen so traurig aus.
Daß die jungen Leute nicht hierherpaßten, hatte nichts mit ihrer Hautfarbe zu
tun, sondern eher damit, daß sie aus wohlhabenden Familien kamen. Junge Leute
können alte Kleider anziehen, sich in einem Armenviertel herumtreiben, den Müll
durchwühlen — was ich für eine dreckige Gewohnheit halte, ganz gleich wie
schlecht es einem gehen mag — , man sieht es ihnen doch an. Vielleicht waren
ihre Familien gar nicht so reich, aber keiner von ihnen, außer dem Indianer,
kannte wirkliche Not. Es waren ruhige junge Menschen; sie taten niemandem
etwas, und die Leute ließen sie in Ruhe.«
    »Was haben sie hier gemacht?«
    »Sie kamen und gingen. Der Kerl mit den
blonden Locken schien irgendeinen Job zu haben; ich hatte das Gefühl, daß er
nicht wirklich hier wohnte, sondern hier nur herumhing. Ein paar von den
anderen arbeiteten manchmal. Aber meistens waren sie in der Wohnung. Was sie
machten, wußte ich damals nicht.«
    »Wie viele waren es denn?«
    »Schwer zu sagen. Mal sah man sie eine
Weile, dann wieder nicht. Aber der Indianer, das blonde Mädchen, der blonde
Junge, das zierliche dunkelhaarige Mädchen und der Kerl mit der Narbe gehörten
dazu.«
    Ich spürte Erregung in mir aufwallen.
Es war das erste Mal, daß jemand Tom Grant mit den Mitgliedern des Kollektivs
in Zusammenhang brachte. Vorsichtig sagte ich: »Könnten Sie den mit der Narbe
bitte beschreiben?«
    »Gutaussehender Junge, wenn man von der
roten Narbe auf seiner Wange absah. Dunkelhaarig. Groß. Ein paar Jahre älter
als die anderen, würde ich sagen. Man sah ihn allein oder mit dem zierlichen
dunkelhaarigen Mädchen. Irgend etwas an ihm war komisch: er schien nicht
richtig dazuzugehören. Als ob das Mädchen seine Verbindung zu den anderen war.
Wenn beide mit den anderen die Straße hinuntergingen, sonderten sie sich ab.
Aber wenn das Mädchen allein war, ging es mit seinen Freunden.«
    Eine interessante Dynamik, dachte ich.
»War der Mann mit der Narbe da, als man die drei verhaftete?«
    »Ja. Auch nachher noch.«
    »Und der blondhaarige Junge?«
    »Der war da schon lange weg. Schon seit
Monaten.«
    »Aber der Mann mit der Narbe blieb auch
noch nach den Verhaftungen?«
    »Na ja, nicht direkt. Die Wohnung wurde
durchsucht, wissen Sie. Das FBI kam und nahm alle möglichen Sachen mit. Der
Mann mit der Narbe war bei ihnen.«
    »Was? Trug er Handschellen?«
    »Nicht daß ich wüßte. Wenn sie ihn
verhaftet haben, dann müssen sie ihn später laufengelassen haben. Die Wohnung
war während des Prozesses versiegelt, aber nachdem das Siegel entfernt worden
war, wohnte er wieder dort. Und das zierliche dunkelhaarige Mädchen wohnte eine
Weile bei ihm, nachdem sie gegen ihre Freunde ausgesagt hatte. Aber dann
verschwand sie, und kurz darauf zog zum Ende des Monats eine Familie ein.«
    »Wann haben Sie den Mann mit der Narbe
zum letzten Mal gesehen?«
    Er überlegte. »Einen oder zwei Tage,
nachdem die kleine Dunkelhaarige verschwunden war.«
    Ich lehnte mich in die Polster zurück,
die nach Zigarretten stanken. Ich wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen; ich
brauchte Beweise.
    Ich fragte: »Wenn ich Ihnen Fotos von
diesen Leuten zeigen würde, könnten Sie sie dann identifizieren?«
    »Ich denke schon. Je älter ich werde,
um so besser kann ich mich an längst vergangene Dinge erinnern. Ich wäre
verdammt froh, wenn ich das auch von der Gegenwart sagen könnte.«
    »Ich habe das Gefühl, Sie sind ziemlich
auf Draht. Ich werde sehen, ob ich ein paar Bilder bekommen kann. Sobald ich
sie habe, komme ich bei Ihnen vorbei. Wenn Ihnen in der Zwischenzeit noch etwas
einfallen sollte, dann rufen Sie mich doch bitte an.«
    Nachdem ich ausgestiegen war, lächelte
mich Cal Hurley an und streckte mir die

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