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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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hätte diesen schmählichen kleinen Jungen von damals hinter sich gelassen, sich weiterentwickelt. Er hatte Möglichkeiten gefunden, die ihm zu verstehen halfen, dass er nicht schlimmer war als alle anderen, und er verachtete sich selbst nicht mehr so sehr, nicht nachdem er die anderen zu der Einsicht gezwungen hatte, dass sie genauso schlimm waren. Dass auch sie ihre Mitmenschen im Stich ließen und genauso schwach und egoistisch waren wie er.
    Aber als er da im Auto saß, wurde ihm klar, dass er überhaupt nicht weitergekommen war. Er war immer noch genau der gleiche Junge, der an der Tür stand und zu große Angst hatte, etwas zu tun. Genau wie Mary noch das gleiche Mädchen war, das sich, ans Bett gefesselt, opferte, um ihn zu schützen.
    Es muss sein, Eddie
, hatte sie ihm gestern gesagt.
Es ist die einzige Möglichkeit
.
    Aber was ist, wenn er nicht kommt?
    Sie hatte ihn nur traurig angelächelt und dann die Hand ausgestreckt und sein Gesicht berührt. Obwohl sie nichts sagte, hatte er sie verstanden, und Erleichterung überkam ihn.
Alles wird gut, du brauchst dir keine Sorgen zu machen
.
    Als er jetzt in dem Auto saß, hasste er sich mehr, als er es je für möglich gehalten hätte. Er blickte durch den Regenschleier auf der Windschutzscheibe hinaus und nahm wahr, wie anklagend die Tür aussah, die sein Vater etwas offen gelassen hatte.
    Du hast sie sterben lassen.
    Und doch fuhr er davon.

35
    Samstag, 3. September
    W ährend der Fahrt hielt ich das Blatt Papier in der Hand und starrte auf das hinunter, was Rob geschrieben hatte.
    Ich wusste, was geschehen war. Er hatte sich für mich eingesetzt. Er war nicht nur zu Sarah gegangen, um sie zu schützen, sondern er hatte auch seinen nicht existierenden Freund bei der Telefongesellschaft angerufen. Ich hatte ihm von Thom Stanley und dem Anruf am Donnerstagvormittag erzählt, und er hatte herausgefunden, von wo aus angerufen worden war.
    Bitte
, dachte ich. Ich betete nicht gerade, aber fast.
    Bitte, mach, dass er sich erholt.
    Dabei wusste ich nicht, was wir tun würden, wenn wir am Ziel ankamen. Der Anruf war von einer Telefonzelle in der Campdown Road getätigt worden. Ich begriff nicht, wie uns das helfen sollte, aber Choc hatte mich zielsicher und ohne ein Wort zu sagen aus dem Haus weggeführt.
    Durch die Lücke zwischen den Sitzen konnte ich sehen, wie sein Bein auf und ab wippte. Die Pistole lag auf seinem Knie und bewegte sich mit. Er machte sich bereit, sich mit dem auseinanderzusetzen, was wir an dieser Adresse vorfinden würden. Er ahnte es bereits. Aber er hatte nichts gesagt, seit wir losgefahren waren.
    »Wir sind fast da«, sagte der Fahrer. »Noch zwei Straßen weiter.«
    »Aber hörst du das?« Der Typ rechts von mir beugte sich vor und schaute nach draußen. »Mann, das sind Sirenen.«
    Ich horchte.
    Er hatte recht, in der Ferne waren Polizeiwagen zu hören.
    »Die könnten ja überall hinfahren«, sagte der Fahrer.
    »Charlie?«
    Aber Choc schwieg.
    Dreißig Sekunden später erreichten wir die Straße. Ich sah weiter vorn die Telefonzelle.
    »Hier?«
    »Noch ’n bisschen weiter.« Choc deutete nach vorn. »Dort auf der linken Seite.«
    Ich runzelte die Stirn. »Was ist denn los?«
    Aber niemand antwortete. Der Fahrer fuhr vor und hielt dann an. Wir standen vor einem alten zweistöckigen Haus, das sich nicht von den anderen hier unterschied. Alle Häuser waren graubraun und vernachlässigt und sahen im Regen heruntergekommen aus. Ich war nicht sicher, warum er gerade …
    Da sah ich, dass die Haustür offen stand. Nur einen Spalt.
    Ich stieg als Erster aus dem Wagen, gefolgt von Choc. Es goss in Strömen, und bis ich die andere Straßenseite erreicht hatte, war ich durchnässt.
    Ich sah mich um, Choc stand noch am Auto. Er hatte die Straße überqueren wollen, aber etwas hielt ihn zurück. Jetzt starrte er in die Ferne.
    Die Sirenen. Das war es. Ich schaute wieder zum Haus und sah in einem der oberen Fenster ein Licht angehen.
    »Choc?«
    Er blickte in die Richtung, aus der wir gekommen waren, dann wieder die Straße hoch. Er sicherte sich ab. Ich konnte es nicht fassen, bei all seinem verdammten Draufgängertum machte er sich Sorgen wegen der Polizei. Wo doch Sarah und Tori
in diesem Moment
dort drin waren.
    Ich machte einen Schritt auf ihn zu, aber er setzte sich auf den Beifahrersitz, schlug im selben Moment die Tür zu, drehte das Fenster herunter und starrte zu mir heraus.
    »Im Wheatfield«, sagte er. »Nicht vergessen. Und pass auf

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