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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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ankamen, war die Bar voll gewesen, aber die Vorstellung sollte in ein paar Minuten beginnen, und die meisten Leute waren jetzt schon nach oben gegangen. Wir brauchten uns nicht zu beeilen, hatten schon einen Drink hinter uns und verweilten nun bei einem zweiten.
    »Tut mir leid, dass ich heute früh so schnell wegmusste«, sagte Sarah. »Ich hab versucht, mich zu verabschieden, aber es war, als wollte ich einen Toten aufwecken.«
    »Schon gut. Eigentlich schlafe ich sonst nicht so lange.«
    »Ich muss dir wohl einen Grund dafür gegeben haben.«
    Ich lächelte. »Ich erinnere mich schwach daran, dass du gegangen bist. Zuerst dachte ich, du seiest einfach abgehauen.«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Nachdem dir klar wurde, dass du einen Fehler gemacht hattest.«
    Sarah hob belustigt eine Augenbraue, tauchte den Strohhalm in ihren Drink und rührte geistesabwesend im Eis. Sie sah toll aus, in engen, dunklen Jeans, einer losen schwarzen Bluse und einer grünen Samtjacke. Ihre Haut schimmerte.
    »Ich fand es schön, mit dir zusammen aufzuwachen«, sagte sie leise.
    »Na, das werde ich dir wohl glauben müssen, da ich ja zu dem Zeitpunkt nicht bei Bewusstsein war.«
    Sie warf mir ein verstohlenes Lächeln zu.
    »Nächstes Mal wecke ich dich auf.«
    »Das freut mich zu hören.«
    »Mit
eiskaltem Wasser

    »Da könntest du ja dann gleich das Geschirr spülen, wenn du schon am Spülbecken bist.«
    Sie streckte mir die Zunge heraus und grinste.
    »Ich freue mich, dass du heute Abend mitgekommen bist.«
    »Wie konnte ich mir das entgehen lassen?« Sie wandte sich von dem Halm ab und beugte sich verschwörerisch zu mir herüber. »Ich fühle mich wie eine Spionin. Es ist aufregend.«
    »Das ist cool. Aber pass auf, dass du dich nicht verrätst.«
    »Auf keinen Fall.« Sie lehnte sich zurück und wedelte sich mit der Hand das Grinsen vom Gesicht. »Ich werde todernst sein. Versprochen.«
    »Bin beeindruckt.« Ich trank aus. »Okay, gehen wir.«
     
    Das Theater selbst bestand aus einer Bühne in der Mitte mit einem Halbkreis von Plätzen, die wie Tribünen anstiegen. Die Bühne war schlicht und schmucklos, vorn stand nur ein einziger Mikrofonständer und etwas weiter hinten ein Tisch mit einem Krug Wasser und einem Stuhl daneben, vermutlich für den Fall, dass Thom Stanleys melodramatische Aktionen ihn so mitrissen, dass er sich setzen und erholen musste.
    »Entschuldigung. Tut mir leid.«
    Wir kamen von oben herein und mussten uns an den gereizt zur Seite gedrückten Beinen älterer Zuschauer vorbeiquetschen. Es gab auch jüngere Paare im Publikum, aber die Mehrheit waren ältere Leute, einsame Männer und Frauen, die Trost in dem Gedanken suchten, dass ihre Lieben ins Leben zurückgerufen wurden. Für den Preis einer Eintrittskarte gab Thom Stanley ihnen die Illusion, dass ihr Verlust rückgängig gemacht wurde. In diesem Theater würde heute Abend der Tod eines Menschen praktisch auf einen Umzug ans andere Ende des Landes reduziert.
    Ich konnte ihnen nicht vorwerfen, dass sie sich das wünschten; ich wollte es ja auch.
    Aber ich konnte Thom Stanley zur Last legen, dass er ihre Lage ausnutzte. Er war ein Schwindler, ein Schmarotzer, der von Kummer und Schwäche lebte. Alles, was daran schlimm war, wenn jemand starb, gab Leuten wie ihm die Möglichkeit, damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
    Sarah und ich fanden unsere Plätze, setzten uns und warteten. Ich horchte auf das Gemurmel um uns herum, kontrollierte die Taschen meines Jacketts und war bereit, das Aufnahmegerät anzuschalten, wenn die Aufführung begann. Es war ein erstklassiges Modell, und das eingebaute Mikro würde mehr als ausreichen, um das einzufangen, was sich tat. Oder jedenfalls das, wovon Rob und ich hofften, dass es sich tun würde.
    Sarah flüsterte: »Ob er wohl weiß, dass du hier bist?«
    »Natürlich«, sagte ich. »Er hat doch übersinnliche Fähigkeiten.«
    Sie stieß mich an, und schon ging das Licht aus. Ich drückte schnell auf »Aufnahme«, griff dann zu Sarah hinüber und nahm ihre Hand.
    Ein einzelner Scheinwerfer war auf das Mikrofon gerichtet, und höflicher Applaus begann überall im Zuschauerraum zu erklingen, griff um sich und wurde immer stärker. Als Thom Stanley aus der Seitenbühne trat, wurde er noch lauter.
    Da war er also. Der Star der Vorstellung.
    Stanley gehörte zu einem neuen Typus spiritistischer Medien: jung, gutaussehend, mit einwandfrei gestuftem, kunstvoll verwuscheltem Haar. Er war groß und schlank und trug ein

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