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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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machte, so zügig und wortgewandt zu übertünchen, dass sogar ich mir kaum sicher war, ob sie ihm unterlaufen waren. Und ich zählte ja mit.
    Der Abend ging auf dieselbe Art und Weise eine halbe Stunde weiter, und mein Zorn wurde durch Langeweile gedämpft. Dann fasste Thom Stanley sich mit Daumen und Zeigefinger an den Nasenrücken, blickte über die Bühne weg und sagte die Worte, auf die ich gewartet hatte. Diesen Moment hatten Rob und ich im Lauf der letzten zwei Wochen herbeigesehnt.
    »Also, ich habe jetzt einen jungen Mann hier. Sehr deutlich. Sein Name ist Andrew, und er zeigt in diese Richtung. Ich glaube, hierher, Sir, und auf Sie, Madam.«
    Wir würden also unseren Artikel kriegen. Als ich Sarah leicht die Hand drückte, erwiderte sie meinen Druck auf die gleiche Weise.
    »Nathan und Nancy, nicht wahr?«
    Er sprach mit einem älteren Paar in einer der vorderen Reihen. Die Frau nickte, und Stanley lächelte ihr zu.
    »Schön, Sie beide hier zu sehen.«
    Er kannte ihre Namen natürlich schon. Ich kannte sie auch. Nathan und Nancy Phillips, die den
Anonymous Skeptic
seit langer Zeit abonniert hatten. Gelegentlich boten sie uns ihre Hilfe bei einer unserer Entlarvungs-Aktionen an, und wir hatten gefunden, sie wären für das kleine Abenteuer dieses Abends ideal.
    »Er ist Ihr Sohn, nicht wahr?«, sagte Stanley. Er wandte sich der leeren Bühne zu. »Sein Name ist Andrew. Braunes Haar. Außerdem lächelt er. Auf mein Wort, er ist ein strammer Bursche!«
    Das Publikum lachte; Herr und Frau Phillips lächelten einander zu.
    »Das war er, ja«, sagte Nancy.
    Stanley wusste ihre Namen schon, weil die Phillips auf seiner Kundenliste standen. Sie hatten vor einiger Zeit eine private Sitzung bei ihm gebucht und so getan, als seien sie damit sehr zufrieden. So laufen solche Dinge – unter den Zuschauern waren Fremde, aber ich konnte mir vorstellen, dass Stanley auch viele schon kannte und in der Vergangenheit mit ihnen gesprochen hatte. Natürlich machte es ihm dies ein bisschen leichter, richtig zu raten. Im Jargon der Zauberkünstler würden wir sie Stichwortgeber nennen, Leute, die eingeweiht sind, aber in diesem Fall verhielt es sich etwas anders. Das nette Publikum war sich nicht im Klaren, dass es hier um einen ganz besonderen Trick ging.
    Zu Robs und meiner großen Freude hatte Thom Stanley letzte Woche Nathan und Nancy noch einmal besucht und ihnen ein Gratis-Gespräch und Freikarten für die Vorstellung heute Abend gegeben. Das Publikum wusste das natürlich nicht, so konnte er ihre Namen und die Einzelheiten nutzen, die sie ihm gegeben hatten, und so tun, als bekäme er sie von dem Geist.
    »Andrew sagt, er weiß, dass es nicht leicht ist, aber er bittet Sie, sich keine Sorgen um ihn zu machen.«
    »Das ist ein großer Trost.«
    »Er zeigt auf seinen Magen. Sagt Ihnen das etwas?«
    Sie nickten wieder.
    »Er ist so jung.« Stanley legte die Stirn in Falten. Dann fügte er hinzu: »Oh, er sagt: ›Jetzt ist es weg, Mum.‹ Es war Krebs, oder? Ja, jetzt nickt er.«
    »Ja, es war Krebs.«
    »Er sagt, er ist jetzt verschwunden. Er möchte, dass Sie wissen, er hat keine Schmerzen mehr.«
    Stanleys Stimme war tröstend und beruhigend, er klang wie ein Therapeut. Hätte ich nicht die Wahrheit gekannt, wäre es überraschend leicht gewesen, sich vorzustellen, dass da
wirklich
ein junger Mann auf der Bühne stand, der für alle außer ihm unsichtbar war.
    Leider hatten Nathan und Nancy nie Kinder gehabt, schon gar keins, das gestorben war. Als Stanley sie besuchte, war fast alles, was sie ihm über »Andrew« gesagt hatten, eine schamlose Lüge gewesen. Die eine großmütige Ausnahme war sein Äußeres, das Stanley mit Hilfe des auf dem Kaminsims gesehenen Fotos aufbauen würde. Ein großer Junge. Halblanges, hellbraunes Haar. Durchschnittlich gebaut, eigentlich gar nicht so »stramm«, aber Eltern mögen ja so etwas, oder? Ein leicht schüchternes Lächeln. In anderen Worten, ein Bild von mir.
    Thom Stanley sprach noch fast zehn Minuten über Andrew, und meine Abneigung gegen den Mann wurde mit jedem Augenblick stärker. Wir hatten schon genug Material, um ihn in große Verlegenheit zu bringen, aber es gab noch einen weiteren Weg, den er einschlagen konnte, einen, der ihn völlig ruinieren würde, und ich wünschte, er möge es tun.
    »Andrew sagt mir auch etwas über eine Halskette?«
    Volltreffer.
    Wieder wandte er sich der Bühne zu, wobei er wirkte, als verwirre ihn die Botschaft. »Er sagt, sie ist aus Gold,

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