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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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beobachtete den Eingang. Die Straße wurde davor breiter und bildete ein Auge mit einem runden, mit Blumen bepflanzten Fleck in der Mitte als Iris. Das Studentenwerk stellte die Augenbraue dar, wobei die Straße schmaler wurde und sich auf beiden Seiten verzweigte wie Lachfältchen.
    Hin und wieder schlenderten ziellos ein paar Studenten vorbei, sahen auf ihre Handys oder setzten ihre Kopfhörer zurecht, aber es war kaum jemand da. Die Teerdecke und das Gras waren mit Handzetteln übersät, Überreste von den Veranstaltungen am vergangenen Abend. Nasse Blätter waren vom Regen an den Boden gedrückt und dann fest wie Aufkleber darauf angetrocknet. Im ersten Stockwerk über dem Haupteingang war ein Bogenfenster offen. Zwei große Lautsprecher standen auf dem Fenstersims, ohne dass ein Ton zu hören war.
    Als ich Rob von Thom Stanleys Wohnung aus anrief, sagte ich ihm nicht, wo er mich treffen sollte. Ich hatte gehofft, dass er noch an das dachte, was ich ihm im Carpe Diem gesagt hatte.
Erinnerst du dich, wie wir uns kennengelernt haben?
Wenn jemand von der Polizei zuhörte, hätte er nur jemanden von Thom Stanleys Nummer aus anrufen hören und nichts mitbekommen als ein harmloses Gespräch über ein schon vorher vereinbartes Treffen zum Lunch.
    Wenn die Polizei jetzt hierherkam, hieß das entweder, dass sie Rob gefolgt war oder dass er mich verpfiffen hatte. Wenn ich recht hatte, war es ausgeschlossen, dass er das tun würde. Und trotz der Tatsache, dass ich die Stimme des Mannes gestern Abend nicht erkannt hatte, konnte ich mir keine andere Erklärung vorstellen. Denn niemand außer Rob wusste all diese Dinge über mich.
    Er kam ungefähr fünf Minuten später. Ich beobachtete, wie er die lange Straße auf der linken Seite herunterkam, mit seinem vertrauten, etwas schleppenden Gang, als erwarte er, dass jemand ihn auslache und er wolle darüberstehen, wenn es so weit war. Sonst niemand, soweit ich sehen konnte.
    Als er am Studentenwerk ankam, hüpfte ich von der Mauer.
    »Rob.«
    Er schaute sich verwirrt um, dann sah er mich.
    Ich nickte ihm zu. »Hier drüben.«
    Während er herüberkam, betrachtete ich sein Gesicht genau und fragte mich, ob das, was ich gedacht hatte, möglicherweise wahr sein konnte. Ich wollte nicht, dass es stimmte, und konnte es mir kaum vorstellen. Er war seit fast zehn Jahren mein bester Freund, war immer für mich da gewesen, hatte mir immer den Rücken freigehalten. Es schien absurd zu glauben, dass er damit zu tun haben konnte, aber die Tatsachen sprachen eine andere Sprache.
    Ich versuchte, meinen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten.
    »Dave«, sagte er. »Mensch, wie geht’s dir denn?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nicht hier.«
    »Wo dann?«
    »Folge mir.«
     
    St. John’s Field war eine große Grasfläche, die sich zwischen dem Campus der Universität und der Straße erstreckte. An Wochentagen war es friedlich und still dort. Im Moment waren wir, soweit ich erkennen konnte, die einzigen Leute weit und breit.
    Es war sogar bei Tageslicht ein bemerkenswert unheimlicher Ort. In der Mitte lag die Garatty Extension, ein unheilvoll aussehendes Steingebäude, das von Bänken und alten, unnahbaren Statuen umgeben war. Von dort ging ein ganzes Spinnennetz von Wegen aus. Manche führten zu den verschiedenen Passagen zur Universität hinunter, wo Rob und ich hergekommen waren. Andere führten zu kleinen Baumgruppen und zu den Straßen hinaus. Für die Wege selbst waren gewölbte Grabsteine verwendet worden. Als der älteste Teil des städtischen Friedhofs renoviert wurde, brachte man die Steine hierher und legte sie flach hin wie ineinandergefügte Zähne.
    Auf jedem waren fünfzehn Namen und Lebensdaten eingemeißelt, viele davon kaum noch lesbar und die meisten von Säuglingen oder Kindern. Auf dem ungeschützten, windumwehten Weg ging man vom einen Ende des Areals zum anderen über eine ganze Schar vergessener Menschen.
    »Du musst das gestern Abend schon geplant haben«, sagte Rob. »Wegen der Sache, dass ich mich erinnern sollte, wo wir uns kennengelernt haben.«
    Wir gingen langsam, als hätten wir kein bestimmtes Ziel. So hatten wir es auch damals als Studenten gemacht. Ich kniff die Augen zusammen, weil der Wind fortwährend wehte, denn das Gelände war hier so offen. Statt nach vorn zu sehen, schaute ich auf die Steine unter meinen Füßen.
    »Nicht ganz«, sagte ich. »Aber ich hatte vorausgedacht.«
    »Muss ich dir erklären, in welchen Schwierigkeiten du steckst?«
    »Ich bin

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