Tote Stimmen
hinuntergeführt und dabei so festgehalten, dass ich kaum Luft bekam. Ich sah das Handy auf der Straße liegen und hinter mir verschwinden … und jetzt tanzten mir richtig die Sterne vor Augen, nicht nur solche, die ich vor Wut gesehen hatte. Ich stolperte, wurde weitergeschleppt …
»Choc, warte …«
»Zu spät.«
Ich schaffte es, mich aus dem Griff zu lösen, und schlug wild um mich, landete auch einen Boxhieb, der aber nichts bewirkte. Wer immer mich festhielt, hatte die Ausmaße eines kleinen Berges. Meine Faust glitt ab, und dann explodierte die Seite meines Gesichts wie eine Glühbirne. Gleich danach explodierte auch mein Oberschenkel, und ich merkte, dass mein Gesicht auf dem Boden aufgetroffen war. Wie war das passiert?
»Viel zu spät.«
Und dann fielen sie erst richtig über mich her.
29
Samstag, 3. September
W o fahren wir hin?«, fragte ich.
»Halt die Fresse.«
Ich war auf dem Rücksitz zwischen den kräftigsten Mitgliedern von Chocs Truppe eingeklemmt. Sie brachten mich irgendwohin, ich hatte keine Ahnung, wohin. Die Gegend draußen flog vorbei, ein Baum, ein Gebäude. Ich wusste nur, dass mit jeder Sekunde jegliche Wahl oder Entscheidung, die mir möglich gewesen war, hinter mir entschwand. Ich schien auch meinen halben Kopf dort zurückgelassen zu haben. Er kam nur langsam hinterher und heftete sich wieder an.
»Ich muss zurück.«
»Halt dein verdammtes Maul.«
Wir waren im Wagen und schon eine Minute gefahren, bevor ich mich so weit erholte, dass mir klar wurde, was geschah.
Selbst jetzt konnte ich mich noch nicht an alles erinnern. Es hatte am Straßenrand Schläge und Tritte gegeben, Fäuste und Füße, die von allen Seiten auf mich zukamen, und dann war ich einfach … hier. Ich hatte wirklich geglaubt, sie würden mich dort auf der Straße umbringen, aber sie hatten mich nur weichgeklopft und mir das Diskutieren ausgetrieben.
Der Schmerz hatte jetzt begonnen, sich richtig festzusetzen. Arme und Rippen taten mir weh. Mein Mund war geschwollen und blutete. Die Seite meines Gesichts war gefühllos.
»Hör doch mal …«
»Ich warne dich, halt jetzt deine verdammte Klappe.«
Ich dachte einen Moment nach, dann schlug ich um mich und rammte den Ellbogen dem Typen rechts von mir ins Gesicht.
Ich traf, war aber offensichtlich viel langsamer als die Kerle, mit denen er es sonst zu tun hatte, und er konnte den Stoß etwas ablenken. Das Nächste, was ich wahrnahm, war, dass mein Gesicht direkt auf die Knie hinuntergedrückt wurde, und eine Hand wie aus Stahl hielt mich am Nacken fest. Dann versetzte mir eine riesige schwere Faust einen so festen Schlag in die Seite, dass ich nicht mehr richtig atmen konnte, an Widerrede oder Gegenwehr war nicht zu denken.
Der stechende Schmerz brannte hell und intensiv, und dann durchliefen kleine Wellen der Qual meinen Körper, als wäre der Schlag ein Stein gewesen, der ins Wasser geworfen wurde. Ich konnte mich nicht einmal mehr zusammenkrümmen. Jedes Mal, wenn ich es versuchte, schlossen sich die Finger um meinen Nacken und pressten mich fester hinunter.
Jemand muss doch gesehen haben, dass sie dich ins Auto gezerrt haben.
Was immer geschah, sie konnten mich nicht umbringen.
Aber andererseits hatte Eddie Berries sich das wahrscheinlich auch gesagt.
Ich versuchte, an nichts zu denken, horchte stattdessen nur auf das Auto. Das Surren und Summen der Reifen, die sich schnell auf einer glatten Teerdecke drehten, das gelegentliche Rütteln der Aufhängung. Und dann das Schrappen und Quietschen, als der Fahrer die Scheibenwischer anschaltete. Es hatte wieder angefangen zu regnen.
»Choc, bitte …«
»Sei still. Du kannst gleich reden. Und das wirst du auch.«
Wir fuhren etwas weiter, ich spürte, wie der Wagen langsamer wurde, dann ein heftiger Stoß, als wir so etwas wie eine Rampe hochfuhren. Der Wagen rollte um eine Biegung und hielt an, dann hörte ich das Knacken einer Handbremse.
»Niemand da?«
»Dürfte niemand da sein. Sehe niemanden.«
»Okay. Bringt ihn raus.«
Der Griff an meinem Nacken wurde gelockert, und an beiden Seiten gingen knirschend die Türen auf. Jemand packte hinten meine Jacke und schob und warf mich halb auf den Boden hinaus. Ich landete auf Händen und Knien, der Regen prasselte um mich herum, und dann wurde ich auf die Füße hochgehievt.
Wir standen auf einer kleinen verlassenen Fläche über so etwas wie einem Recycling-Center. Unter mir, jenseits des notdürftigen Geländers, stand eine Reihe
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