Tote Wasser (German Edition)
auch.»
«Wie hieß die Kleine denn?» Von der Geschichte hatte Perez noch nie gehört. Aber als das geschehen war, hatte er ja auch noch in seinem Haus in Lerwick gewohnt. Fran hatte vielleicht davon gehört, hatte es ihm vielleicht sogar einmal erzählt. Wenn er sie besucht hatte, hatte sie ihm immer ein paar Bruchstücke von dem Klatsch erzählt, den sie aufgeschnappt hatte, doch damals hatte er ganz andere Dinge im Sinn gehabt.
«Evie Watt. Sie hat den Sommer über hier gearbeitet, bevor sie zum Studium weggegangen ist.»
«Die Tochter von Francis?» Francis Watt war bekannt auf den Shetlands. Er schrieb eine wöchentliche Kolumne in der
Shetland Times
über die alten Bräuche hier auf den Inseln. Wahrscheinlich war er der einzige Mensch auf den Shetlands, der das Aufkommen des Öls bedauert hatte.
«Aye.»
«Hat sie das Kind behalten?»
«Ich glaube, sie wollte es, hatte dann aber eine Fehlgeburt. War ja vielleicht besser so, hm?»
Perez dachte, dass ein Außenstehender, und noch dazu ein Mann, wohl kaum entscheiden könne, was «besser» war, wenn eine Frau ihr Kind verlor. Seine Exfrau Sarah hatte eine Fehlgeburt erlitten, und danach war zwischen ihnen nichts mehr wie vorher gewesen. Jetzt lebte sie mit ihrem zweiten Mann, einem Allgemeinarzt, auf einem alten Bauernhof unten in Schottland und hatte Kinder.
«Arbeitet Evie noch hier?», fragte Perez.
Brodie schnitt eine Grimasse. «Was glauben Sie wohl? Das hier ist bestimmt der letzte Ort, an dem sie ihre Zeit verbringen möchte. Sie hätte ja nie gewusst, wann Jerry mal aus dem Süden hochkommt, um seine Eltern zu besuchen.»
«Sie studiert aber nicht mehr?» Perez dachte, dass ihm ein zweites Bier gut schmecken würde, doch er entschied sich sofort, nun beim Kaffee zu bleiben. Vielleicht würde er später ja doch noch nach Lerwick fahren und nachschauen, ob Sandy schon zurück auf dem Polizeirevier war. Er könnte ihm diese Neuigkeit von dem Mädchen überbringen. «Sie muss das Studium doch schon vor Jahren abgeschlossen haben. Was macht sie jetzt denn so?»
«Keine Ahnung.» Brodie schien sich unwohl zu fühlen. Er hatte schon immer unter Akne gelitten, und die Pickel wurden im Lauf des Gesprächs immer roter und dunkler. Perez fragte sich, ob sein Gegenüber wohl selbst einmal in Evie Watt verliebt gewesen war. «Beim
Up Helly Aa
, dem Wikingerfest, habe ich sie mal gesehen, aber sie war mit ihren Freundinnen unterwegs, und wir haben nicht miteinander geredet. Ich glaube, sie ist wieder nach Hause gezogen. Nicht nach Fetlar, aber zurück auf die Shetlands. Zumindest hatte ich den Eindruck.»
«Und seitdem hatten Sie keinen Kontakt mehr zu ihr?», fragte Perez.
Brodie schüttelte den Kopf. «Ich wäre bestimmt nicht gut genug für sie», sagte er. «So hübsch und klug, wie sie ist. Man muss es ja nicht darauf anlegen, enttäuscht zu werden, oder?»
«Manchmal lohnt es sich, ein Risiko einzugehen.» Aber Perez war sich nicht sicher, ob das stimmte. Er jedenfalls würde niemals wieder etwas mit einer Frau anfangen.
Als er das Hotel schon verlassen wollte, beschloss er, doch noch bei Peter und Maria vorbeizuschauen. Vielleicht war es ja das Bier, das ihm ein merkwürdiges Selbstvertrauen einflößte. Er war schon zweimal oben in ihrem Apartment gewesen, wenn sie ihn nach dem Essen im Restaurant auf einen Kaffee oder Whisky eingeladen hatten. Beide Male war Fran dabei gewesen, und er hatte gemerkt, dass sie Peter Markham gefiel. Mehr als das, der Hotelbesitzer war geradezu fasziniert von ihr gewesen. Er hatte sich absolut korrekt und zuvorkommend verhalten, doch immer, wenn er in ihre Nähe kam, schien ihm der Atem zu stocken, und seine Blicke wanderten immer wieder zu ihr, selbst wenn seine Frau gerade sprach. Perez hatte Fran damit aufgezogen: ‹Du hast einen Bewunderer.› Und sie hatte gelacht. ‹Das ist ein sehr attraktiver Mann, Jimmy Perez. Und er hat viel mehr Geld als du. Du solltest dich vorsehen!› Die Erinnerung an dieses Gespräch erweckte ihm seine Geliebte einen Augenblick lang wieder zum Leben, und er war fast dankbar dafür.
Er bat Brodie, den Markhams Bescheid zu geben, dass er zu ihnen hinaufging. «Ich möchte ihnen nur mein Beileid aussprechen.» Und Brodie nickte, als glaubte er, dass Perez von Anfang an vorgehabt habe, Jerrys Eltern einen Besuch abzustatten.
Die Tür am oberen Ende der Treppe stand bereits offen für ihn, und Peter und Maria saßen im Wohnzimmer. Weil das Apartment sich ganz oben im Haus befand,
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