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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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weiß nicht.“
    „Vielleicht lebt ja doch noch jemand.“
    „Leben die denn nicht?“
    Maria zuckte mit den Schultern.
    „Nicht richtig, schätze ich. Wir müssen da rein.“
    Beide schauten auf das unbewachte Schlafzimmer des Fürstbischofs, das dem Audienzsaal gegenüber lag. Auf dem Boden am Zugang lag alles durcheinander. Die hohen Flügeltüren standen halb offen und angelehnt.
    Als sie sich gerade in Bewegung setzen wollte, hörte Maria ein Geräusch und hielt inne. Sie fasste nach der Hand des Mädchens.
    „Was war das?“, fragte die Kleine ängstlich.
    „Klang wie Schritte.“
    „Was, wenn sie hier auch schon wieder sind?“
    „Vielleicht waren manche gar nicht weg.“
    Maria schaute sich rasch um nach einem Versteck oder Fluchtweg für das Mädchen. Ihr selbst konnte ja nichts passieren. Sie musste da rein und nachschauen.
    Da erklangen die Schritte erneut, diesmal lauter und fester.
    Eine Gestalt erschien im Spalt zwischen den halb geöffneten Türen.
    Maria konnte kaum glauben, wen sie da sah.
     
    Noch drei andere Alt-Leichen hatten sich aus den Stadtfriedhofs-Gräbern erhoben. Sie gehörten zu den frühesten, die als Lebende mit Hermanns Trank je kuriert worden waren, und der Weckruf des Mittels erreichte sie nun am spätesten. Zu zerfallen waren ihre Körper bereits gewesen, um sich rasch frei zu graben und mühelos zu erheben.
    Aber das Schicksal war ihnen hold. Wie zarte Pflänzchen hatten sie sich gerade über die Erde getastet und steckten noch halb darin, als am Schafott der Pöbel außer sich geriet und in alle Himmelsrichtungen davon rannte. So manch einer nahm den Weg über den Friedhof und lief den lauernden Alt-Leichen, die weder an ihren Knochengesichtern noch an den Fetzen an ihren Leibern als Mann oder Weib noch zu erkennen waren, direkt in die Fänge.
    Wie fleischfressende Pflanzen streckten sie ihre klebrigen Totenfinger nach den Lebenden aus, packten sie, zogen sich an ihnen aus den Gräbern, zerbissen sie und nährten sich an ihrem Fleisch. Kaum hatten die sich sattgefressen und zogen Richtung Stadt, um weitere Beute zu reißen, erhoben sich ihre ersten Opfer bereits aus ihren Blutlachen und folgten ihnen taumelnd nach.
    Zwei gute Dutzend Männer, Frauen und Kinder aus dem Pöbel waren tot getrampelt worden und schon wieder auf den Beinen. Aus Richtung Kloster und aus den Dörfern ringsum kamen welche herangetaumelt, trafen auf flüchtende Lebende und machten sie zu Toten. Je mehr es wurden, desto noch und noch mehr wurden es und noch mehr.
    Sie verbreiteten sich, schwärmten durcheinander, trafen auf solche, die in der Burg gehaust hatten und vereinten sich zu einer Art Heer, das freilich zu keiner Ordnung fand, aber zu einer Richtung.
    Unausgesprochen, da sie des Sprechens nicht mehr mächtig waren, aber durch gemeinsame Witterung vereint und sich gegenseitig nachahmend zogen sie, einer grasenden Herde gleich, erst durch die Stadt, fraßen alles, was ihnen in die Fänge lief, zersprengten sich und vereinigten sich erneut, denn der Wind wehte von der Burg herab, und sie witterten nun, wo die größte Beute zu machen war.
    Dort oben hatte der Stadthauptmann gerade einen Plan gefasst und war gänzlich uninformiert über das, was im Tal sich wie eine Gewitterwolke zusammengebraut hatte und nun wie ein Sturm heranzog. Sein Befehl lautete, die Burg mit Bliden und Bombarden zusammenzuschießen, die Reste in Brand zu stecken und dann mit den Schwertern niederzumähen, was sich in den Trümmern noch regte und daraus hervorwagte.
    Gegen Hunderte blutdurstiger Wiedergänger aber nutzten ihn seine Waffen überhaupt nichts - um so weniger, da sie in seinen Rücken einfallen und ihn und seine Mannen übelst überraschen würden.
     
    Als sie ihn sah, wollte sie seinen Namen rufen, eine ungläubige Frage aussenden oder nüchtern nach den Gründen seiner Anwesenheit fragen. Aber Maria rannte einfach los und warf sich in Hermanns Arme. Sie war selbst überrascht davon, wie überglücklich es sie machte, ihn zu sehen. Und es war ihr egal, wie unwahrscheinlich es doch dünkte, aus dieser Hölle ringsum heraus hier oben zusammenzufinden.
    „Die Burg wird angegriffen“, war endlich das erste, was sie unter Lachen und Tränen der Erleichterung hervorbrachte.
    „Ich weiß.“
    „Was ist mit dem Kloster?“
    „Dort lebt niemand mehr. Nicht als Mensch wie zuvor, meine ich.“
    Maria fasste sich, löste sich aus seinen Armen und beschloss: „Wir müssen hier weg. Vielleicht gibt es Geheimgänge.

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