Toten-Welt (German Edition)
Palas erschütterte.
„Dann geht ihr, bringt euch im Keller in Sicherheit. Ich muss mir anschauen, wie die Lage ist und wohin wir überhaupt können.“
Maria packte nun ihn an der Hand und zog ihn zu einer Schießscharte des Torturms.
„Von hier sehen wir auch genug. Wir bleiben zusammen.“
Was sie sahen, war ein ungeheures Durcheinander. Das städtische Fähnlein hatte Belagerungsstellung eingenommen, hatte die Burg eingekesselt und schoss mit Bliden und Bombarden auf die Mauern wie auch auf die Burg.
Gleichzeitig hatten die Landsknechte sich aber selbst zu verteidigen. Sie bildeten eine Schutzreihe um ihr weit gestreutes Angriffslager und hieben den angreifenden Wiedergängern die Köpfe ab, was eher selten gelang, denn der Ansturm war zu heftig und die Übermacht zu groß.
„Die sind bald keine Gefahr mehr für uns“, stellte Maria erleichtert fest. „Wir passen den Moment ab, in dem ihre Reihen sich öffnen.“
„Du willst da raus und durch?“, fragte Hermann fassungslos.
„Willst du hier etwa abwarten? Schau da, unten, an der Stadt.“
„Herr im Himmel!“
Sie sahen hinunter wie auf einen Ameisenhaufen, in dem es durcheinander wimmelte, aber der Unordnung in der Stadt, wo alles gegen alles kämpfte, stand ein geordneter Zug um die Mauern herum Richtung Burg entgegen. Berittene und Fußvolk zu Tausenden.
„Wer sind die? Etwa kaiserliche Truppen?“
„Nicht mehr lang, und die sind hier. Denen hält die Burg niemals stand.“
„Aber warum sollten die uns was tun? Ich bin ein Mönch, du bist eine einfache Landfrau. Und ein Kind. Sonst ist hier niemand mehr.“
„Und das Ungeheuer auf des Fürstbischofs Bett? Die ganzen Wiedergänger da unten? Das geköpfte Ding im Kloster werden sie auch finden. Und wer wird für all das wohl brennen?“
„Das rechnen die uns doch nicht an! Oder?“
Sie schaute ihn an und konnte seine Unschuldsmiene nicht begreifen. Er war wie ein dummes Kind. Oder hatte er das unheimliche Geschick, so zu tun, dass es wie echt war? Wie weit würde er damit kommen?
„Das werden sie uns anrechnen, und wir waren das auch. Aber wir wollten nichts Böses, Hermann. Wir müssen uns denen nicht stellen. Wir haben genug gebüßt. Und denke außerdem an das Kind hier.“
Kunigunde hatte, während sie stritten, beharrlich durch die Schießscharte geäugt und zog Maria nun aufgeregt am Arm.
„Da unten, seht doch.“
Am hinteren Vorburghof hatten sie eine Bresche in die Mauer geschossen, die von innen und außen leicht zu überwinden war. Die das getan hatten, waren zum Angriff aber nicht mehr befähigt, denn sie gingen unter im Ansturm einer Wiedergängerhorde.
Der Graben war flach an dieser Stelle. Und dahinter begann, näher als überall sonst an der Burg, erstes Dickicht. Der Wald war hier endlos bis zum Horizont. Und die Kaiserlichen kamen von gegenüber, hatten sich durchzukämpfen bis zu dieser Seite – und waren in dieser Landschaft fremd und wussten erst mal von nichts.
„Willst du sterben oder leben?“, fragte Maria bloß.
„Leben.“
„Dann komm.“
Die Ausfallpforte war verwaist wie der Vorburghof. Maria hatte mit Spuren des Kampfes gerechnet, mit liegengebliebenen Waffen oder abgerissenen Körperteilen. Sie fand nicht mal Blutlachen.
Das Tor jenseits des abwärts führenden Tunnels stand angelehnt. Hermann lugte hinaus und zog sie ins Freie. Der Graben hier war tief, aber sie wussten, wo das Scharmützel der Lebenden gegen die Toten stattfand, schräg über ihnen, wo der Wall sich senkte und der Graben leicht zu durchqueren war. Vermutlich war es bereits entschieden.
„Warte.“
Hermann blieb mitten im Graben stehen. Der Schlachtenlärm auf der anderen Seite der Burg, wo der Hauptkampf stattfand, war unüberhörbar.
„Nicht jetzt.“
„Dieses Stöhnen.“
Jetzt hörte sie es auch.
„Die sind keine Gefahr für uns.“
„Die zerfleischen Menschen.“
„Hast du das Mittel nicht auch genommen?“
Hermann zuckte mit den Schultern.
„Bist du nie einem begegnet seitdem?“
„Einigen Brüdern. Dem, was sie geworden waren.“
„Und, haben sie dich angegriffen?“
„Nein. Aber wieso eigentlich nicht?“
„Ich weiß es nicht, und dafür ist jetzt auch keine Zeit.“
„Und das Kind.“
Kunigunde hatte zwischen ihnen hin und her gesehen, als sie geredet hatten. Maria strich ihr über den Kopf.
„Keine Angst, wir beschützen dich. Aber jetzt müssen wir weiter!“
Hermann nickte und setzte sich, im Gleichklang mit ihr, in
Weitere Kostenlose Bücher