Toten-Welt (German Edition)
Oder wir bieten denen was an für freies Geleit.“
„Ich bin verantwortlich für all das da. Soll ich mich davonstehlen?“
„Was denn sonst? Du wolltest Menschenleben retten mit deiner Medizin. Das hier konntest du nicht vorgehabt haben. Niemand ist außerdem geholfen, wenn wir uns niedermetzeln lassen.“
„Aber es gibt keine Geheimgänge. Und wo sollten wir auch hin?“
„Dahin, wo wir immer hinwollten: in die Welt hinaus. Einfach weg. Nun ist es endgültig getan, du hast kein Kloster und keine Aufgabe mehr. Und den Fürstbischof... gibt es wohl auch nicht mehr. Oder?“
Hermann schaute sie wissend an und fragte dann, wie um abzulenken: „Und wer ist das da?“
Maria hatte das Mädchen ganz vergessen. Sie drehte sich um zu ihr, winkte sie heran und sagte: „Wir haben uns draußen getroffen. Wie heißt du denn überhaupt?“
„Kunigunde.“
Sie machte einen kleinen Knicks, als sie sich vorstellte, und Maria musste lächeln.
„Und zu wem gehörst du?“
„Mein Platz war in der Küche. Der Burgkoch...“
Ein Ausdruck des Entsetzens trat in ihr Gesichtchen. Sie biss sich auf die Lippen, und Maria begriff. Der zerfetzte Wiedergänger, der ihr auf dem Weg zur Burg im Graben begegnet war, musste wie ein Geschöpf aus der Hölle auf das Kind gewirkt haben.
„Schon gut. Nicht dran denken. Du bist jetzt bei uns, und da bleibst du auch. Wir passen auf dich auf.“
Hermanns Blick widersprach dieser Behauptung von Gemeinsamkeit, und mit ihrer Enttäuschung kam ein Gedanke, den sie bisher verdrängt hatte: Es gab ein Kind, von dem es ihr nicht überlassen war, selbst zu entscheiden, ob sie es annähme. Dieses Kind wuchs in ihr. Sie hatte es die ganze Zeit gespürt und spürte es jetzt sogar sich bewegen. Sie wusste, das war unmöglich aufgrund der kurzen Dauer seit der Empfängnis, aber das Gefühl war echt. Sie würde diesen Mann schon dazu bringen, eine Familie mit ihr zu begründen, denn es war längst von sich aus zwingend.
„Ich muss dir was zeigen“, sagte er, und sie sah ihm an, dass er sich bemühte, emotionslos zu klingen. „Aber du wartest besser hier, Kleines.“
Kunigunde nickte schüchtern und verharrte an Ort und Stelle, während Hermann Maria zum fürstbischöflichen Schlafgemach führte. Am Türstock hielt er sie, da ihre Schritte immer schneller und drängender wurden, mit einem heftigen Griff zurück.
„Du weißt, wir haben ihm mehr verabreicht als jedem anderen zuvor und danach. Und einiges ging wohl direkt in sein Blut. Also, sei gefasst.“
„Auf was?“
Er schaute sie nur an, räusperte sich und schüttelte den Kopf. Sie riss sich los, schob ihn beiseite und war schon um die Ecke.
Der Körper, der auf dem Himmelbett des Fürstbischofs lag, trug zwar sein Nachtgewand und seine Pantoffeln, aber Gestalt und Kopf waren derart deformiert, dass Ähnlichkeit nicht mehr zu erkennen war. Maria blieb die Luft weg vor Entsetzen. Sie stellte sich neben ihn – und plötzlich begriff sie.
„Er verwandelt sich, er... - Er wird wie dieses geköpfte Wesen aus Byzanz!“
„Ich weiß es nicht.“
„Das sieht man doch. Ihm wächst eine Schnauze. Er sieht größer aus und kräftiger. Seine Gewänder platzen ja schon aus den Nähten.“
Sie zuckte zusammen, als ein Zittern durch den monströsen Körper lief. Ein Gedanke kam ihr, sie sah Hermann an und fragte: „War er überhaupt tot, bevor das losging?“
„Weiß ich nicht“, gestand er kleinlaut. „Als ich herkam, lag er da schon so.“
„Warum bist du überhaupt hier? Und seit wann?“
„Einen halben Tag vielleicht. Ich wusste nicht, wohin, und dachte, dass ich dich hier treffe.“
„Wir müssen ihm den Kopf abhauen. Jetzt gleich.“
„Bist du verrückt geworden? Das ist immer noch der Fürstbischof!“
„Das glaubst du ja selber nicht. Außerdem ist das nicht mehr die Welt für ein solches Amt.“
Sie drängte an ihm vorbei, sah das Mädchen im Türstock verharren und scheu hereinschauen, war rasch bei ihr und schob sie wieder hinaus. Auf den Steinplatten des Fußbodens zwischen Schlafgemach und Audienzzimmer fand sie eine Hellebarde, nahm sie auf und mit zurück.
„Bleib da“, befahl sie, hob die Waffe und wollte auf das Wesen auf dem Bett losgehen. Hermann trat dazwischen, aber noch ehe er sie überwältigen und entwaffnen konnte, klammerte auch Kunigunde an ihnen, weinte und rief: „Tut ihm nichts. Ich glaub, das ist mein Vater.“
Kapitel 7: Maria in der Folterkammer
Nun strömten sie schon ins
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