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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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nicht vor die Tür und öffnen Sie niemandem, selbst wenn es sich um enge Freunde und Verwandte handelt. Trauen Sie niemandem. Warten Sie auf weitere Anweisungen von Regierung, Militär, Polizei oder anderen befugten offiziellen Organen. Falls Sie nicht genügend Lebensmittel gelagert haben...“
    Er hörte nicht mehr hin und überlegte fieberhaft. Das Schlafmittel, das er genommen hatte, war stark, aber er konnte doch nicht tagelang geschlafen haben! Wann war denn das alles nur passiert?
    Auf dem Weg zu seiner Dienststelle begriff er, dass es vor seinen Augen angefangen hatte. Er hatte sich nur ablenken lassen von der Vorgeschichte Helferts und an einen normalen Serienmordfall geglaubt.
    In Wirklichkeit glich das, was da in den Tagen zuvor bereits in unbegreiflicher Geschwindigkeit abgelaufen war, einer Epidemie. Die Verlaufskurven, die sich in solchen Fällen zeichnen lassen, steigen flach an, knicken irgendwann nach oben und rasen dann steil in die Höhe. Das musste passiert sein, während er geschlafen hatte.
    Mertel hatte keine Ahnung von den medizinischen Aspekten einer Seuche, aber eines wusste er: Jede Ausbreitung ließ sich zu einem Ausgangspunkt zurückverfolgen, einem ersten Überträger. Und der war, da hatte er nach wie vor keinen Zweifel, dieser Scheißkerl Hubert Helfert.
    Genau deshalb tat Mertel angesichts des völligen Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung etwas eigentlich Bescheuertes: Er beschloss, zum Dienst zu fahren, als sei nichts geschehen und als sei da noch jemand, den das interessieren würde. Seit dem Tod seiner Frau Evelyne hatte er keinen neuen Lebensinhalt gefunden. Er hatte sonst schlicht nichts zu tun.
    Ein irrer Gedanke trieb ihn vorwärts: Wenn diese Bestien lebende Tote waren, vielleicht hatte auch Evelyne sich aus ihrem Grab erhoben. Sie lag da noch nicht lange und war vielleicht noch intakt. Er wusste nicht, was er tun würde, wenn er ihr gegenüberstehen würde, aber nur in seiner Dienststelle hatte er die Ressourcen, überhaupt irgendwas herauszufinden.
    Die Alternative wäre gewesen, sich irgendwo einzubunkern, abzuwarten und sich wohl irgendwann die Kugel zu geben. Das alles konnte er immer noch machen. Erst aber würde er das Unmögliche versuchen: sich ohne Kollegen, ohne Zeugen und in einer wüst gewordenen Welt auf die Spur des Killers Nr. 1 zu begeben. Was immer er damit erreichen würde. Vermutlich gar nichts. Aber er würde nicht eher ruhen, bis er diesem Helfert gegenüberstand – oder auf dem Weg zu ihm draufgegangen wäre.
    Er ahnte nicht, dass er schon auf dem Weg zu seiner Dienststelle in eine tödlich gefährliche Lage geraten würde.
     
    Irene Bomhan hatte den Oberbürgermeister instruiert und dann ziehen lassen. Sie zweifelte aber daran, dass er kapiert hatte, worum es ging, dass er aufbrach nach Berlin und erst recht, dass er je dort ankommen würde, sollte er es auch mit aller Macht versuchen.
    Offenbar wurde er auch gar nicht mehr gebraucht. Auf dem Weg vom Rathaus zu ihrer Wohnung hätte sie gern einen kleinen Snack genommen. Sie kicherte in sich hinein bei dem Gedanken. Es torkelten ihr zwar jede Menge Vertreter ihrer Spezies entgegen, aber Menschen waren nicht darunter.
    So was wie ein öffentliches Leben und eine öffentliche Ordnung gab es nicht mehr. Die sonst so belebte Fußgängerzone bot ein chaotisches Bild. Die unter Sonnenschirmen gruppierten Stühle und Tische der beiden Eiscafés, die bei dieser Hitze bis auf den letzten Platz hätten belegt sein müssen, lagen kreuz und quer über die Fußgängerzone verstreut. Autos standen durcheinander.
    Was hatten die hier überhaupt verloren? Ihr Rest von Menschen-Normdenken empörte sich über die Regelverletzer, aber vermutlich waren das einfach Anwohner, die auf dem Weg zu ihren Garagen aus den Autos gezerrt worden waren. Sie hätte wählen können zwischen einem Porsche in Nachtblau und einem goldenen S-Klasse-Mercedes – beide Fahrzeuge, brandneu, standen mit offenen Türen da und ließen steckende Zündschlüssel erkennen.
    Gelegentlich stieß sie auf eine Leiche, die nicht herumirrte, sondern am Boden lag oder auf einem Fahrersitz hockte, und sie fragte sich, wie das wohl gekommen sein mochte. Nicht alle hatten zertrümmerte Schädel. Was hatte sie ausgeknipst? Oder waren sie nur noch nicht zurückgekehrt beziehungsweise in ihrem neuen Leben angekommen? Und wo waren die verdammten Lebenden?
    Sie blieb neben dem K+L Ruppert stehen und starrte hinein in das Geschäft. Hier hatte sie die

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