Toten-Welt (German Edition)
Und dann gibt es auf den Straßen ein Schlachtfest.“
Polizeihauptkommissar Werner Mertel hatte aufgeben. Sein Verstand schätzte die Lage, in die er plötzlich geraten war, als aussichtslos ein. Sein doppelt so schwerer Kollege Bruno oder das, was er nun war, hing mit vollem Gewicht an ihm und würgte ihn von hinten mit einer Umklammerung, der nicht zu entrinnen war. Derweil er sich auf die Schmerzen eines Bisses vorbereitete und sich mit seltsamer Gelassenheit fragte, welche Stelle seiner linken Hals- oder Kopfseite es treffen würde, reagierten seine Reflexe ohne dass sein aktiver Wille dabei eine Rolle spielte. Jahrelanges Kampftraining hatte einen Automatismus erschaffen, der in Gang kam, sobald es notwendig war.
Er riss die Dienstpistole, die er in der Rechten umklammert hielt, nach oben und stieß sie schräg neben sich nach hinten. Als hätte er Zeit und die Übersicht gehabt, genau zu zielen, traf er mit dem Lauf genau den aufgerissenen Mund Brunos und drückte im selben Moment ab.
Der Fleischberg erschlaffte, aber blieb mit der Armbeuge fest an seinem Hals verhakt, zerrte mit vollem Gewicht an ihm und riss ihn nach hinten. Noch im Fallen spürte Mertel, wie sich die andere Leiche, die Sekunden vorher erwacht war, an seinem Fuß zu schaffen machte.
Mit einem Tritt des anderen Fußes befreite er sich, stemmte den schweren Arm Brunos von seinem Hals und schaute, dass er auf die Füße kam.
„Verdammte Scheiße!“
In der Tür, durch die er flüchten wollte, drängten sich plötzlich zwei uniformierte Beamte. Der eine hatte ein sauberes rundes Loch in der Stirn, dem anderen fehlte das halbe Gesicht. Sie waren nur deshalb noch nicht im Raum, weil sie sich gegenseitig behinderten und von hinten weitere neu auferstandene Tote drängen. Der Gestank, der ihnen vorauseilte, war unbeschreiblich.
Mertel sah keine Möglichkeit, den Raum durch die Tür zu verlassen. Er packte einen der Computer, riss ihn von der Verkabelung frei, schmiss ihn durchs Fenster und sprang hinterher.
Von wegen Geisterkatze!
Amelie, bewaffnet mit Taschenlampe und einem schweren Brecheisen, ertastete einen Spalt unter der scheinbaren Wand. Dahinter ging der Wehrgang weiter. Es musste einen Geheimmechanismus geben. Mit dem Brecheisen hebelte sie an verschiedenen Stellen des Spaltes und klopfte die Wand ab. Nichts.
Sie streckte sich und lauschte. Der Wind pfiff durch das Loch des Aborterkers. Was weiter oben womöglich geschah, war außer Hörweite. Die Tür, mit der Wicca sie an ihrem zweiten Tag hier vermeintlich gefangen gesetzt hatte, war leicht zu öffnen und nicht zu versperren.
Aber wenn sie es doch war, irgendwie? Sie hatte keine Lust, hier unten zu verrotten. Andererseits war sie lange genug aus Angst untätig gewesen. Das Ergebnis war die Apokalypse. Sie glaubte zwar nicht, dass sie Wicca hätte stoppen und die Verbreitung dieser Seuche hätte verhindern können, wenn sie es versucht hätte. Und jetzt war wohl schon gar nichts mehr zu machen.
Andererseits konnte es sein, dass gerade in diesem Moment ein Ärzteteam an einem Gegenmittel forschte. Und sollte der Geköpfte aus Byzanz nicht bloß ein Märchen Wiccas sein, sondern tatsächlich den Ausgangsherd darstellen, wer weiß, was nicht doch noch zu retten wäre von dieser Welt, wenn das Ding in die richtigen Hände käme.
Sie verdrängte ihre Angst und begann damit, die Wand vor sich auf Geheimmechanismen abzutasten. Sie drückte gegen jeden Stein, suchte in jeder Ritze nach einem Hebel.
Nichts.
Sie ging in Gedanken die Gerätschaften durch, die ihr im Werkzeugschuppen aufgefallen waren. Es gab einen Vorschlaghammer, aber damit die Wand einzureißen, ging wohl über ihre Kräfte und ihr Geschick.
Es gab auch eine Leiter.
Amelie hatte eine Idee.
Allein jagen gut, in der Horde jagen besser.
Im auf Neandertaler-Niveau abgestumpften Hirn Hubert Helferts begannen Urinstinkte mit Restintelligenz zu interagieren und neue Wege zu suchen.
Die Kinder waren zu flink gewesen, hatten sich in alle Winde zerstreut oder in Winkel des Kindergartens verkrochen, die ihm nicht zugänglich waren.
Überhaupt hatte er an diesen kleinen Happen auch gar kein Interesse. Das große Stück Wild wollte er, aber auch das war ihm einfach davon gehuscht. Er war ein alter Knochen, von Krebs zerfressen und eben tot und ziemlich steif auf den Beinen. Das alles zusammen war nicht gerade gut für die Kondition und erst recht nicht für die Schnelligkeit.
Als er zusammen mit seinem
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