Toten-Welt (German Edition)
abgemurkst hatte. Frieda hatte sich versteckt gehalten und erst an die Beute gewagt, als Wicca um die Ecke hetzte und sich an einem Auto zu schaffen machte. Jetzt hatte sie es geschafft, den Motor zu starten.
Da sie in ihre Richtung fahren musste, um auf die Straße zu kommen, hatte Frieda es leicht, das Krankentransportfahrzeug, dessen hintere Tür offen stand und beim Fahren hin und her pendelte, noch zu erreichen. Ungesehen von Wicca, denn die konnte mit Rückspiegeln nichts anfangen, ließ sich Frieda in dem Moment, in dem der Wagen auf die Straße bog, auf seine hintere Ladefläche fallen und war an Bord.
Sie kaute noch an einem zähen Fetzen aus der Schwester, starrte auf das kleiner werdende Seniorenheim und spürte Gefühle von früher, die eigentlich abgestorben waren, aber von der einen oder anderen Nervenzelle noch abgesondert wurden wie das letzte Blubbern in einem abgeschalteten Whirlpool. Aufbruchstimmung. Hoffnung. Und eben doch Rachedurst. Die sollte nicht davonkommen. Die nicht.
Ei gucke da, wer lief ihr denn hier über den Weg? Irene Bomhan sah einen noch relativ intakten OB an der Seite eines ziemlich zerfressenen Typen am Rathaus entlang schlurfen und in einem Seiteneingang verschwinden.
Von ihrem Hirn war nicht mehr genug übrig, um irgendwas zu begreifen. Aber diese beiden Knilche waren in den Gewebefetzen, die übrig waren, so eingeprägt und mit allem verknüpft, was in ihrem Leben negativ gewesen war, dass sie von einer Art Wut erfüllt sich an die Verfolgung machte. Der Zerfressene, das war einer der beiden, die überhaupt an allem schuld waren. Sie wäre jetzt, vielleicht, in ihrer Wohnung in Sicherheit, hätten die sie nicht auserkoren, den OB zu infizieren. Und der war natürlich auch schuld, genau deswegen. Weil sie wegen ihm auserkoren worden war.
Das Rathaus zu betreten, weckte in ihrem Resthirn bekannte Gefühle: etwas Widerwillen vor der Arbeit, vor allem aber Vertrautheit und Geborgenheit, was die Räume und Menschen hier betraf. Die Räume waren noch da. Die Menschen würden es nie mehr sein. Trauer regte sich bei dem Gedanken, und die Trauer nährte den Hass.
Die Hörfähigkeit des rechten Ohrs war durch den Schuss zerstört worden. Sie drehte beim Vorantappen ihr linkes Ohr nach vorn und orientierte sich an den leisen Schritten einen Gang weiter. Jetzt, da sie aufmerksam lauschte, hörte sie auch eine Stimme. Die kam von woanders, aber sie kam aus der Richtung, auf die sich die beiden Verfolgten zubewegten.
Irene Bomhan kam diese Stimme vor wie ein automatisches Funksignal, das seit Jahrhunderten abgestrahlt wurde. Die ganze Zeit schon, all die Jahre, die sie hier gearbeitet hatte, war es da gewesen. Unterbewusst hatte sie das Signal, eine Mischung aus Hilferuf und Einsatzbefehl, immerzu wahrgenommen, aber nie begriffen, was es war und woher es kam.
Jetzt begriff sie es. Es kam aus den ehemaligen Folterkammern im Keller des Rathauses, der bisherigen Top-Touristenattraktion dieser Stadt. Und der Sender war ein Wesen wie sie, aber stärker, am stärksten, so stark. Eine der Urformen allen Seins ihrer Art. Der OB und der Gnom waren nicht mehr ihr Hauptziel. Mit denen konnte sie sich hinterher befassen. Erst mal wollte sie dem Sender gegenüberstehen.
Als menschliches Würmchen hatte sie einst an Gott geglaubt und sich ähnlich nach ihm gesehnt. Der Glaube, der nun erwachte, war mächtiger, denn er fokussierte sich nicht auf eine Fantasiefigur, sondern etwas, das da war und zu ihr sprach, sie anleiten und beschützen würde. Ohne es zu wollen, legte die Bomhan ein derartiges Tempo vor, dass sie im Begriff war, die von ihr Verfolgten zu überholen.
Die rettende Idee war so ekelhaft, dass der Hase minutenlang zögerte. Sollte das Monstrum ihn doch beißen. Dann wäre er eben ein Untoter und kein Infizierter mehr. Vielleicht wäre das sogar besser. Denn die Sucht nach dem Mittel, von dem es angeblich nichts mehr gab, machte ihn fast rasend.
Derweil er noch passiv selbstzerstörerischen Gedanken nachging, hatte er bereits Aktivitäten entwickelt, sich zu wehren, so weit ihm das möglich war. Sein rechter Arm war nur halb unter dem ultrafetten Zombie eingeklemmt, der auf ihm lag und an der eigenen Kopfhaut nagte, um den Mund zum Fressen freizubekommen. Mit viel Winden und Zerren schaffte es der Hase, seinen Arm zu lösen und zum Kopf des Monsters zu greifen. Bevor er zupackte, zögerte er, und es hob ihn beim Gedanken, wie sich das nackte Hirn anfühlen würde.
Was ihn
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