Toten-Welt (German Edition)
Seesack. Nicht, um sie je wieder zu benutzen, sondern bisher nur als Zeichen des Triumphes über die Sucht, denn er war zuletzt clean gewesen, was die alten Drogen betraf.
Diese eine neue Droge, in der er nun regelrecht schwamm, die hatte die Grundneigung zur Sucht neu aufflammen lassen und unkontrollierbar gemacht. Als einer, der nie von Wicca persönlich infiziert und instruiert worden war, kam er nicht auf die Idee, sich das Zeug ins Auge zu tröpfeln. Aber er sollte der Erste sein, der es in eine Spritze füllte und sich in eine Vene jagte. Der einzige, der von der Wucht der lupenreinen Essenz im Blutkreislauf wie von einen Vorschlaghammer getroffen wurde. Und nun eine Verwandlung durchmachte, wie sie das Mittel zuletzt vor 500 Jahren bewirkt hatte.
Es war ein Mordschauplatz wie in einem Miss-Marple-Krimi: das luxuriöse Gästezimmer eines Schlosses mit dicken Mauern, schweren Vorhängen, einem Stillleben aus Holztischchen, gedrechselten Stühlen, einem silbernen Kerzenleuchter, Wandregal mit alten Büchern und einem Himmelbett in der Raummitte, auf dem die Leiche mit ausgestreckten Gliedern und klaffender Halswunde ins Leere starrte.
„Nichts anfassen!“, befahl Mertel, als Klangfärber, Kellermeister und Stolte an ihm vorbei zur Tür herein drängten. Im Gang stand ein Grüppchen miteinander diskutierender Soldaten, das nun, dem Herdentrieb folgend, mit eintreten wollte. Mertel bat sie:
„Bitte draußen warten. Nicht weggehen. Ich hätte anschließend ein paar Fragen an Sie.“
Dann schloss er die Tür.
„Wurde die Leiche verändert?“
„Nicht, dass ich wüsste“, antwortete Stolte. „Ich wurde gerufen, verschaffte mir einen Überblick über die Situation und suchte dann sofort nach dem BMF.“
„Warum Sie?“
„Was meinen Sie?“
„Wer hat die Leiche als erster entdeckt, einer der Männer da draußen?“
„Ja. Vermutlich.“
„Und warum wurden dann Sie gerufen und nicht gleich der BMF?“
„Weil ich der Wachhabende der Nachtschicht bin. Der BMF hat offiziell schichtfrei.“
„Verstehe. Etwas stimmt hier nicht.“
Klangfärber fragte unwirsch:
„Sie wollen doch jetzt hier keine Morduntersuchung einleiten, oder?“
„Das war mein Job.“
„Betonung auf war. Wir haben weitaus dringendere Probleme.“
„Ich weiß. Eingekesselt zu sein ist schon schlimm, wenn man wenigstens nach innen den Rücken frei hat. Aber wenn man mit einem Mörder zusammengesperrt ist, könnte leicht Panik ausbrechen.“
„Unsinn. Ich verpflichte die Männer, die davon wissen, zur Geheimhaltung.“
„Und der Fall soll nicht untersucht werden?“
„Ich brauche jeden Mann, auch Sie. Die Leiche kommt in den Keller, und die offizielle Version lautet, Kuckel sei desertiert.“
Mertel versuchte sich zu beherrschen, aber musste laut auflachen.
„Ist Ihnen eigentlich klar, wie verdächtig Sie Ihr Verhalten macht?“
Klangfärber lächelte seinerseits und fragte:
„Weil er mein schlimmster Widersacher war, mir mit Enthüllungen drohte und ich ihn k.o. schlug? Ich bin tatsächlich nicht gerade traurig über seinen Tod. Aber ich kann es nicht gewesen sein. Ich war die ganze Zeit auf der Mauer im Einsatz, was Herr Stolte hier bestätigen kann. Ich hätte nicht mal Gelegenheit gehabt, einen Mordauftrag zu erteilen.“
„Und was war in dem Zeitraum, nachdem Sie die Mauern verlassen hatten und mit uns zusammentrafen?“
„Ich habe den Burghof überquert, was keine Minute gedauert hat.“
„Allein? Wie lang ist es her, dass er sich abgemeldet hat, Herr Stolte?“
„Eine Viertelstunde. Höchstens eine halbe.“
„Zeit genug“, stellte Mertel fest.
„Jetzt will ich mal Kommissar spielen“, sagte Klangfärber spöttisch. „Handelt es sich um einen sauberen Schnitt, oder hat sich da an seinem Hals jemand regelrecht ausgetobt? War überhaupt das Messer die Mordwaffe? Und sehen Sie sich an, wie er da liegt. Wurde er auf dem Bett liegend getötet?“
„Wohl kaum“, sagte Mertel ohne hinzuschauen. „Dann wären keine Blutflecken auf dem Läufer. Außerdem müsste er geschlafen haben, um auf dem Rücken liegend auf diese Weise getötet worden zu sein. Ein solcher Schnitt... na ja, Schnitte entstehen klassischerweise von hinten.“
„Wäre ich es gewesen, hätte ich dann Blutflecken auf der Kleidung?“
„Nicht unbedingt. Sie könnten sich umgezogen haben.“
„Meine Stube ist am anderen Ende der Burg. Und nehmen wir mal an, ich war es wirklich, was dann? Wollen Sie über mich Gericht
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