Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
Vom Netzwerk:
sitzen, während die Burg gestürmt wird? Und gleichzeitig einen neuen Anführer wählen?“
    Mertel trat vor ihn hin und betrachtete ihn demonstrativ von Kopf bis Fuß. Stolte und Kellermeister wurden zunehmend unruhig und waren kurz davor, sich einzumischen. Da sagte Mertel ruhig:
    „Sie waren es nicht. Höchstwahrscheinlich. Aber Sie decken jemanden. Herr Stolte, bitte lassen Sie nach Amelie suchen. Wie war noch mal ihr Nachname?“
    „Sind Sie verrückt geworden?! Eine Frau soll ihm von hinten die Kehle durchgeschnitten und die Leiche dann aufs Bett gewuchtet haben? Warum überhaupt?“
    „Sie beide kennen sich, das ist ja wohl klar. Worüber haben Sie so lange gesprochen, nachdem sie da oben auf der Brüstung aufgetaucht war? Und warum musste es unter vier Augen sein?“
    „Musste es gar nicht. Es hat sich so ergeben. Sie haben keine Anstalten gemacht, dabei zu sein.“
    Klangfärber schien nach wie vor aufgebracht, aber nun wirkte es gespielt. Mertel wandte sich von ihm ab und fragte:
    „Was ist, Herr Stolte? Könnten Sie bitte...“
    Der schaute Klangfärber fragend an, während Mertel sprach. Unwirsch unterbrach er ihn und befahl Stolte:
    „Sie werden auf den Wehrgängen gebraucht. Und übertreiben Sie es nicht, auch Sie brauchen mal Schlaf. Herr Kellermeister, könnten Sie bitte nach Amelie Korski suchen lassen? Danke.“
    „Korski, richtig“, sagte Mertel. „Der Name kommt mir bekannt vor. Ihr Gesicht auch. Trotz Brille.“
    „Sie haben den Rest dieses Abends“, sagte Klangfärber, als die anderen Männer draußen waren und die Tür geschlossen hatten. „Befragen Sie Amelie und die Soldaten im Flur, sichern Sie Spuren. Mir ist auch an einer Aufklärung gelegen, schon allein um mich und sie zu entlasten.“
    „Alles klar.“
    „Aber bevor Sie morgen weitermachen, werfen Sie erst mal einen Blick auf die Apokalypse da draußen. Und dann entscheiden Sie selbst, was wichtiger ist.“
     
    Amelie hockte in Wiccas Praxis auf dem Drehstuhl über den Schreibtisch gebeugt und zuckte zusammen, als die Tür aufflog und gegen die Wand knallte. Sie war derart in Bergenstrohs Aufzeichnungen versunken gewesen, dass sie sich vorkam, wie aus dem Tiefschlaf gerissen. Kellermeister stürmte mit zwei Soldaten in den Raum.
    „Hier sind Sie also. Bitte nach vorne kommen und die Hände so halten, dass ich sie sehen kann.“
    Das Auftreten der Männer war derart rabiat und der Befehl kam so hart an, dass Amelie wie in Trance aufstand und die Hände hob, ohne Fragen zu stellen oder zu protestieren. Die beiden Soldaten nahmen sie in die Mitte und führten sie hinaus in den Gang.
    Kellermeister trat zum Schreibtisch, registrierte die beiden Papierstapel von je 200 Seiten, in denen Amelie gelesen hatte, klappte sie zusammen und klemmte sie unter den Arm. Da er den Raum noch nicht kannte, nahm er sich die Zeit, sich kurz umzuschauen.
    „Was wollen Sie eigentlich von mir?“, fragte Amelie von draußen herein. Sie hatte sich gefangen, war aus ihrem traumgleichen Zustand von Lese-Trance erwacht und begann zu begreifen, dass es hier nicht um ihre Vergangenheit ging, sondern dass etwas passiert sein musste.
    „Ich führe einen Befehl aus“, antwortete Kellermeister mechanisch, während er den Deckel der Truhe neben dem Schreibtisch hob. Er griff eine Handvoll Ampullen heraus, ließ die Hälfte wieder fallen und steckte den Rest ein.
    „Was bin ich? Verhaftet?“
    Er beachtete sich nicht, ließ den Blick noch einmal durch den Raum wandern und hob vorsichtig die Kerze vom Schreibtisch, in deren flackerndem Schein Amelie gelesen hatte.
    „Sparen Sie Taschenlampenlicht“, befahl er dem Soldaten, der bisher geleuchtet hatte, und der gehorchte sofort.
    Im Leuchtkreis der Kerze verließ Kellermeister den Raum und übernahm die Führung der kleinen Gruppe den fensterlosen Gang voraus in Richtung Palas. Das flackernde Licht streifte die Gesichter finster blickender Rittersmänner und adliger Damen mit hohen, steifen Kragen.
    Amelie spürte das unheimliche Gefühl ihres allerersten Tages hier auf der Burg zurückkehren. Dies war kein heimeliger Ort. Wie hatte sie sich nur zuletzt in all den Wochen hier wie zu Hause fühlen können?
    Die feindliche Abneigung der Männer rings um sie, der gespenstische Gang, ihr Schlafmangel und die alles überlagernde Angst vor dem, was rings um die Burg lauerte und was passieren würde, wenn es angriff, das alles schwappte in ihr zusammen, überspülte ihren Verstand und ließ die Panik

Weitere Kostenlose Bücher