Toten-Welt (German Edition)
herangepeitscht hatte, sprach noch einmal mit allen Posten und gab vor allem einen Befehl aus: beim nächsten Angriff ihn sofort zu holen, egal wann. Dann zog er sich in den Burghof zurück, lauschte noch eine Weile auf das Stöhnen, das von allen Seiten über die Mauern drückte, aber insgesamt abnahm und im Gewitterdonner ganz unterging. Schließlich betrat er den Palas.
In der Burg war alles ruhig. Da sie nun den Ernstfall hatten, waren Schichten eingeteilt worden, das hieß, eine Schicht schlief gerade immer, worauf von allen natürlich Rücksicht genommen wurde. Eine zweite Schicht war auf Wache und in Kampfbereitschaft, eine dritte im Innendienst, und das bedeutete vor allem: Lösungen austüfteln.
Über all das hatte ihn Stolte, sein riesenhafter Begleitsoldat, der ihm zu einer Art Adjutanten geworden war, während seines stundenlangen Einsatzes auf den Mauern regelmäßig informiert. Er wusste auch, dass Amelie und Kellermeister den Bergfried untersuchten, er hatte sie hoch klettern sehen. Seine kleine Amelie schien unter Höhenangst zu leiden, was ihn schmunzeln ließ. Er selbst hatte sich diese angeborene Angst in 500 Jahren nicht abtrainieren können.
Ernst wurde er wieder beim Gedanken an Kuckel. Dieser Misthund hatte angefangen, den Ton anzugeben, und ein Häufchen treuer Paladine um sich geschart. Verraten hatte er ihn offenbar nun doch nicht. Aber ein Umsturzversuch würde mit Sicherheit erfolgen, und darum musste er sich zuallererst kümmern.
Als er jetzt in den Rittersaal trat, hielt hier nur einer die Stellung: Mertel.
„Wann haben Sie zuletzt geschlafen?“, fragte Klangfärber statt eines Grußes.
„Gerade eben ein bisschen. Das ist hier ein Posten, der sich sozusagen auf Standby schalten lässt, wenn ich allein bin. Wie ist die Lage?“
„Ruhig im Moment. Grundsätzlich würde ich nachts keinen Angriff erwarten. Aber die haben einen Anführer.“
„Wie bitte? Und wen?“
„Keine Ahnung. Sie tragen einen mumifiziert aussehenden menschlichen Körper auf einem Ding herum, das eine ausgehängte Tür sein könnte. Der Körper sieht nicht lebendig aus und scheint vor allem eine Art Glücksbringer oder Götze zu sein. Aber ich hab so eine Ahnung, dass mehr dahinter steckt. Von Zombies, die sich organisieren, habe ich jedenfalls noch nie gehört.“
„Sie meinen bei Romero?“
Beide grinsten.
„Schon klar. Ich weiß von diesen Filmen. Aber meine Erfahrungen reichen ein bisschen weiter zurück.“
„Ich wüsste zu gern, wie weit.“
Mertel behielt sein Grinsen bei. Klangfärber lächelte, nickte und sagte müde:
„Irgendwann. Bald. Aber nicht jetzt. Sprechen wir über vordringliche Angelegenheiten. Was ist während meiner Abwesenheit hier gelaufen?“
„Nicht viel. Amelie und Kellermeister sind losgezogen, um den Gang zu finden. Keine Meldung seitdem. Kuckel spielt den dicken Maxe. Und ich hab mir ein paar Jungs angehört, die mit Ideen vorgesprochen haben. Da waren ein paar ganz interessante Vorschläge dabei.“
„Ach ja? Dann klären wir das doch zuerst.“
„Gut. Thema Wasser. Im Falle einer längeren Belagerung sollten wir unsere Vorräte aufstocken. Es gibt eine Zisterne im Burghof, die im 19. Jahrhundert vermauert wurde, aber die leicht reaktiviert werden könnte.“
„Wie viele Männer bräuchte es dafür?“
„Der Ideengeber meint, zwei Mann müssten es in einem halben Tag schaffen.“
„Ich hoffe zwar, dass wir den Ausbruch so schnell wie möglich hinkriegen, aber meinetwegen, stimmen wir bei der nächsten Sitzung darüber ab. Vielleicht sollten wir das bei allen Punkten tun.“
„Und stundenlang darüber mit Kuckel streiten?“
„Wenn wir auf eigene Faust entscheiden, wird er erst recht Ärger machen.“
„Ich rede mal mit ihm. Das geht so nicht.“
„Was?“
„Dass hier private Fehden alles lahmlegen, während ein echter Krieg tobt. Das könnte uns allen den Kopf kosten.“
Klangfärber nickte und lächelte.
„Danke. Ich bin froh, dass ich Sie habe. Worüber ich die ganze Zeit schon mit Ihnen reden wollte...“
Es klopfte an der Tür. Beide rechneten damit, dass derjenige schon von selbst eintreten würde, aber es ging nicht ohne ein „Herein!“, das Klangfärber militärisch hart und knapp brüllte.
„Kellermeister. Warum so schüchtern?“
Das unrasierte Gesicht unter dem zerzausten Schopf wirkte unendlich müde.
„Kann ich noch stören?“
„Natürlich. Haben Sie den Gang gefunden?“
Er war eingetreten und verharrte an der
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