Toten-Welt (German Edition)
verdammte Drecksvieh. Und deshalb möchte ich, dass Sie mir einen kleinen Gefallen tun.“
Sie drückte Amelie etwas in die Hand. Etwas Kaltes, Metallenes.
„Das ist ein echtes Henkers-Richtschwert aus dem 13. Jahrhundert. Seit dem 18. Jahrhundert ist es außer Dienst. Ich möchte, dass Sie es hier und heute wieder in Betrieb nehmen.“
Die Berkel schnappte sich den Kater, drückte ihn so brutal zu Boden, dass er aufschrie, und befahl:
„Jetzt!“
Amelie hob das Schwert, setzte die Spitze an den Brustkorb des fauchenden, in plötzlicher Todesangst sich windenden Tierchens und stieß ohne zu zögern so fest zu, dass der Ruck, als das Schwert in den Steinboden hieb, ihr die Waffe fast aus der Hand riss.
Kapitel 2: Erstarren und Verkrusten
„Und, wie hat sich das angefühlt, Schätzchen?“
„Ich hätte nicht so fest zustoßen müssen. Fast wäre das Schwert beschädigt worden.“
Wicca-Maria Berkel lächelte, als sie diese Antwort hörte.
„Gewissensbisse?“
Amelie schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich weiß aber, dass ich das normalerweise nicht mache. Ich habe noch nie ein Tier grundlos getötet.“
„Noch nicht mal eine Fliege?“
„Nicht grundlos.“
„Sie hatten doch einen Grund: meinen Befehl.“
„Das stimmt.“
Amelie neigte den Griff des Henkers-Schwertes, an dem die Katzenleiche aufgespießt war, in Wiccas Richtung.
„Hier bitte.“
„Was soll ich denn damit?“
Amelie verharrte in der Bewegung und schwieg.
„Entsorgen Sie das Ding über den Abort-Erker. Was darunter landet, bleibt unentdeckt, der Burggraben ist für Besucher gesperrt. Ich erwarte Sie in fünf Minuten in meiner Praxis.“
„Der ist nicht ohnmächtig.“
„Was dann?“
„Sieht aus als wäre er wach, aber kann sich nicht bewegen.“
„Hauptsache, er spürt die Schmerzen.“
„Das wissen wir aber nicht. Was ist mit dir?“
Die Brüder standen wie zitternde Greise um ihr gefesseltes Opfer. Dem Hasen lief unkontrolliert Spucke aus dem Mund. Fahrig versuchte er, sich abzuwischen, und verschmierte damit alles um so mehr.
„Mir geht’s echt beschissen.“
„Mir auch. Aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Was, wenn er doch noch stirbt?“
„Was, wenn wir sterben?“
„Blödsinn!“
„Schau uns doch an. Ist dir klar, dass du dir in die Hosen gepisst hast? Schon vor einer Stunde, es stinkt wie Hugo. Und das mit der Spucke, echt eklig, Alter.“
Der Hase senkte den Kopf so langsam als koste ihn die Bewegung mehr Kraft als er aufbringen konnte. Vorsichtig betastet er seine Jeans im Schritt.
„Tatsache, Mann. Ich hab nichts gemerkt.“
„Was ist mit mir? Hab ich auch irgendwas?“
Die beiden betrachteten sich gegenseitig von oben bis unten. Der Gnom schnitt dabei unkontrollierte Grimassen.
„Dein Gesicht zuckt“, stellte der Hase mit schwerer Zunge fest.
„Echt jetzt?“
„Geh doch zum Spiegel.“
„Okay...“
Er machte einen Schritt in Richtung Tür, knickte beim Auftreten im Knie ein und brach der Länge nach zusammen. Mühsam wälzte er sich auf den Rücken und starrte zur Decke, während Zuckungen wie Wellen über sein Gesicht liefen.
„Hilf... mir!“
Der Hase schob Fuß vor Fuß, was ihn aussehen ließ wie ein Aufziehmännchen. Langsam und mit steifen Beinen bewegte er sich auf den hilflosen Bruder zu. Er murmelte und murrte.
„Du bist gut, Alter. Wenn ich mich neben dich hinknien tu, komm ich auch nicht mehr hoch. Dass ich dir aufhelfen tu, kannst dir sowieso abschminken. Bin echt im Arsch, Mann. Und stehen kann ich kann ich kann ich...“
Wie auf Knopfdruck sackte er in sich zusammen.
„...auch nicht mehr. Kackmist, Mann!“
Frieda Berger stieß einen leisen Schrei aus, als sie in der Praxis in eine Schublade des Aktenschrankes griff und ein Bündel Haare hervorzog. Die blondschwarze Mähne wollte kein Ende nehmen und lief erst nach einem Meter Haarlänge im Perückenkopf zusammen.
„Wasn Fiffi“, murmelte Frieda und ahnte eine ungute Erinnerung, die zwar an sich schnuppern, aber sich nicht fassen ließ.
Schnell stopfte sie das unheimliche Haar-Teil zurück in die Schublade.
Wo nur bunkerte das Weib dieses Mittel? Tag für Tag verabreichte ihre Arbeitgeberin ihren Patienten Augentropfen, die wahre Zauberkräfte entfalteten – nur sie selbst als Mitarbeiterin bekam nichts davon ab.
Ein Zaubermittel aber war es, was Frieda bitter nötig hatte: Ihre Depressionen über ihre jahrelange Arbeitslosigkeit hatten mit Antritt der neuen Stelle nicht etwa
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