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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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waren, gewann sie aus heftiger Panik den Impuls, sich mit einem Ruck aufzusetzen. Der Widerspruch wurde ihr klar, als sie auf ihre Beine starrte, die in der Hüfte gestreckt geblieben waren. Ihr Körper lag noch lang. Was sich aufgesetzt und damit abgesetzt hatte, war ein schwacher Abglanz, den sie selbst kaum sah. Wenn sie jetzt abheben und zur Decke schweben würde, wäre es endgültig.
    Der Schock angesichts der sicheren Endgültigkeit beendete das falsche Erwachen und führte zum richtigen. Ihr Körper entsteifte sich, gehorchte ihr, ließ sich bewegen. Aber das Aufsetzen im Körper war ungleich mühsamer als frei davon.
    Und das Brennen in ihrem linken Auge war schier unerträglich. Sie sah unscharf und alles wie gebogen und von Schlieren durchzogen. Wenn das anhielte, würde sie vor Schmerzen nicht zuhören und vor Blindheit nicht schreiben können. Dabei war Bergenstroh schon am Vorabend unzufrieden gewesen mit ihrer Leistung.
     
    „Haben Sie mir irgendwas ins Auge geträufelt?“
    „Wie bitte, geträufelt?!“
    Die Berkel tat überrascht und lächelte dazu ein Ja.
    „Ich habe Ihre Stimme gehört. Vorhin, an meinem Bett. Waren Sie das?“
    „Was habe ich denn gesagt?“
    „Sie haben gezählt. Bis fünf, glaube ich.“
    „Ja, bis fünf kann ich zählen, das gebe ich unumwunden zu.“
    „Was war das?“
    „Was war was?“
    „Was Sie mir da gegeben haben? Schauen Sie sich mein Auge an!“
    „Das reinste Ochsenauge. Ich sehe es die ganze Zeit schon. Möchten Sie was dagegen?“
    Sie seufzte theatralisch und stand auf.
    „Eigentlich haben wir um diese Zeit noch geschlossen...“
    „Wer ist wir?“
    „Das sagt man nur so, Schätzchen, wenn man eine Firma oder Praxis betreibt. Hier, versuchen Sie das mal.“
    Sie zog aus einem alten Schuhkarton ein abgewetztes Fläschchen ohne Aufschrift. Eine Haarsträhne stand ihr so gezackt ins Gesicht, dass es aussah, als habe sie eine Narbe auf der Wange.
    „Was soll ich damit?“
    „Ins linke Auge träufeln. Das wollten Sie doch. Und ja, Sie haben richtig geraten: Fünf Tropfen täglich, am besten gleich morgens vor oder unmittelbar nach dem Aufstehen.“
    Amelie stellte das Fläschchen gewollt heftig und damit krachend laut auf den Schreibtisch.
    „Wollen Sie mich verarschen!? Ich bin nicht hier, um mir was verschreiben zu lassen, sondern um zu erfahren, warum Sie sich in mein Zimmer schleichen, während ich noch schlafe, und sich an mir vergreifen.“
    „Sie sollten die Tropfen trotzdem nehmen, Schätzchen. Das Auge sieht schlimm aus. Kann ich mal sehen?“
    Ehe Amelie begriffen hatte, was gemeint war, hatte die Berkel sich die Papiere geschnappt, die sie in der Hand gehalten hatte, ging damit hinter den Schreibtisch, schlug die erste Seite auf und begann zu lesen.
    „Also, was erlauben Sie sich...!“, stieß Amelie ebenso atemlos wie kraftlos hervor. Ihr Protest klang lächerlich angesichts der Unverfrorenheit. Sie musste sich zwingen, ihre Gegnerin hinter den Schreibtisch zu verfolgen, um sich die Papiere zurückzuholen. Sie hatte Angst, ein Gegenangriff würde ausarten, und war sich nicht sicher, ob Bergenstrohs Gesprächsnotizen einen Kampf wert waren.
    „Ja, das stimmt“, murmelte die Berkel geistesabwesend, während sie die erste Seite überflog und schon zur zweiten umblätterte. „Aber das hier ist eine bodenlose Frechheit! Ich bin seine Ärztin, nicht sein KZ-Kommandant!“
    Ihr Ton klang freundlich im Kontrast zu ihrer Wortwahl, und sie wiederholte „wirklich, eine bodenlose Frechheit“, während sie sich kampflos die Notizen wieder entreißen ließ.
    „Schätzchen, Sie müssen mir glauben: Ich habe nie versucht, ihn einzusperren oder am Telefonieren zu hindern. Das ist lächerlich. Seinen Mailzugang kenne ich überhaupt nicht. Und warum sollte es mich jucken, dass er seine Memoiren diktiert? Wenn das wahr wäre, was er da behauptet, dann wäre es doch wohl viel einfacher, ihm Gaga-Drogen in seine Futterbeutel zu spritzen als angebliche Notsignale nach außen zu unterdrücken. Der Mann ist frustriert über seine Hilflosigkeit und lässt es an anderen aus, vor allem an mir.“
    Sie hatte wie ein Wasserfall argumentiert und Amelie dabei gespielt hilflos zugesehen, wie sie sich mit ihren Ausdrucken auf die andere Schreibtischseite in Sicherheit brachte.
    „Und das mit der Kakerlake...“
    „Was?!“
    „Ich stehe weit über solchen Scherzen, ihm irgendwelches Viehzeug unters Hemd zu stecken, um ihn zu quälen.“
    „Woher wissen Sie

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