Toten-Welt (German Edition)
Haltung zwangen. Mit wilden Kopfbewegungen versuchte er, den Jute-Beutel von seinem Kopf abzuschütteln. Er hätte mit den Beinen gestampft und getrampelt, wären die nicht auch gefesselt gewesen.
Die Bomhan hatte ihre eigene Wäscheleinen-Trommel neben der Waschmaschine gelagert. Ein Blick aus dem Fenster in den Hinterhof auf unbespannte Wäschestangen bestätigte ihm diese weitere ihrer vielen kleinen Macken. Jemand, der vor dem Wäscheaufhängen erst mal die Leine spannte – und sie hinterher wieder abnahm. Wie krank war das denn?
Aber gut für ihn. Wenn sein Bruder nach seiner Verwandlung nur über einen Bruchteil der Kräfte verfügte, die ihr Onkel im Keller an den Tag gelegt hatte, dann konnte er gar nicht froh genug darüber sein, in weiser Voraussicht die gesamte Trommel mit gut 30 Metern Plastikschnur verwendet zu haben. Das Zeug war nachgiebig, aber zäh wie Büffelleder und auch als Einzelstrang nicht zu zerreißen.
Der Gnom hatte es inzwischen aufgegeben, sich loszerren zu wollen, und verharrte ruhig unter seinem Sack.
Welche Ironie! Das Opfer war zum Monster geworden. Seine Narben waren wieder da, sie traten wulstiger denn je an der Leiche hervor, die er geworden war. Aber der eigentliche Schrecken lauerte unter dem Jutesack. Der Hase hatte es nicht geschafft, diese Bomhan von ihm herunter zu bekommen, bis sie freiwillig von ihm abließ. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits das Bewusstsein verloren gehabt.
Als nächstes hätte sie wohl den Hasen angefallen, wäre es dem nicht gelungen, sich zu bewaffnen. Auch so ne Macke: Hatte die doch einen Baseball-Schläger neben dem Bett lehnen! Da sie sich als Menschenfrau sicher gewesen war, damit Einbrecher wirksam bekämpfen zu können, hatte sie selbst als Zombie noch Respekt vor dem Teil.
In schweigendem Einvernehmen hatte sie sich von ihm ferngehalten, während er mit gezücktem Schläger abwehrbereit blieb, hatte sich in aller Ruhe für ihren letzten Arbeitstag angezogen, sich frisiert, sich die Leichenbläue aus dem Gesicht geschminkt – und ihm und seinem inzwischen verbluteten Bruder die Wohnung überlassen.
Mission gescheitert?
Offenbar nicht, betrachtete man es aus Wiccas Sicht. Die Bomhan war klar darauf aus, sich den OB vorzunehmen. Und wenn der Plan sich dann auch auf ihn übertrug, dann konnte das Chaos sich ausbreiten bis ganz nach oben.
Aber wieso übertrug sich der bescheuerte Plan überhaupt? Hase und Gnom hatten mitgemacht aus Angst vor dieser entsetzlichen Erstarrung. Aber war das hier vielleicht besser?
„Was jetzt?“, fragte der Gnom. Seine Stimme klang wie immer, wenn auch gedämpft durch den Jute-Sack und etwas kratzig durch seine Metamorphose.
„Keine Ahnung, Mann.“
„Willst du mich ausknipsen?“
„Hätt ich ja längst gekonnt.“
„Ach, echt? Ich bin ja wohl schon tot, oder?“
„Ja, aber ohne Kopf hätt ich dich nicht fesseln brauchen.“
„Keine Lust gehabt, mir die Rübe abzusägen?“
Es klang amüsiert.
„Hättest du’s denn bei mir gemacht?“
„Nein. Ich hätt gedacht, wir machen einfach weiter. Ich hätt nich gedacht, dass du mir so was hier antust. Ich bin schon ziemlich enttäuscht von dir, Alter.“
„Komm mir bloß nicht so, Mann. Ich hab einfach Angst, dass es wehtut. Du hast ganz schön gebrüllt.“
„Ja, aber ich bin nicht die. Warum sollte ich dir denn was tun, wenn da draußen Millionen andere Warmblüter rumlaufen?“
„Ach, komm schon! Das ist so was von abartig! Gerade du – gerade wir. Ich meine, du hast es ja schon gemacht, bei ihr.“
„Ja, weil sie nicht pariert hat.“
„Und jetzt?“
„Was jetzt?“
„Du würdest es wieder tun, aber jetzt auch, wenn es nicht sein muss. Ich meine, die alte Kuh hat es gemacht, obwohl sie vorher auf Pralinen und Liebesschnulzen und so n Zeug abgefahren ist. Wie kann man so was bloß tun?!“
„Das kommt... irgendwie von innen. Es ist so stark. Man kann nichts machen. Ich kann wirklich nichts dafür.“
„Ach, dann kann wohl überhaupt niemand was für irgendwas?“
Schweigen unter dem Jutesack. Der Hase seufzte.
„Und was soll ich jetzt machen?“
„Mich los.“
„Und dann?“
„Nix dann. Ich glaub, ich brauch dieses Mittel nicht mehr. Du schon.“
„Ach ja? Das heißt dann wohl, ich soll allein weitermachen?“
„So wie sich mein Gesicht anfühlt, kann ich eh nicht mehr bei Tag in die Öffentlichkeit.“
„Ich will aber nicht allein!“
„Ich könnt dich beißen. Nur ein bisschen und wo man es nicht sieht.
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